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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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sagte er: »Als ich am Samstag mit Montgomery telefonierte, war der rosa Diamant also schon bei der Braut.«
    »Vermutlich, Don John.«
    Allmen aß ohne die gebotene Andacht.
    »Weshalb sagt er mir das nicht? Haben Sie eine Erklärung, Carlos?«
    »Zwei, Don John. Entweder, der Diamant war nie verschwunden. Oder Montgomery wusste es nicht, weil die Engländer für den Chinesen arbeiten.«
    »Und was wäre dann Montgomerys Rolle?«
    »Vielleicht wurde er benutzt. Wie wir, Don John.«
    Carlos servierte ab und brachte den Hauptgang. Das Hühnerfleisch war dunkelrot und fiel von den Knochen, die Polenta war übergossen mit der sämigen Weinsauce, in der Speckwürfel und Perlzwiebeln schwammen. Und dennoch musste Allmen sich zwingen, den Teller leer zu essen.
    »Carlos?«, sagte Allmen, als dieser zum dritten Mal hereinschaute, um zu sehen, ob er abräumen könne.
    »Qué manda, Don John?«
    »Sokolow hatte also nichts mit dem rosa Diamanten zu tun.«
    »Ich glaube schon, Don John.«
    »Ja?«
    Carlos nickte. »Aber der rosa Diamant ist nicht das, was wir denken.«
     
    8
     
    Bis kurz nach zehn Uhr versuchte Allmen immer wieder, Montgomery zu erreichen, dann gab er es auf. Er schob Brahms’ Variationen über ein Thema von Joseph Haydn mit Harnoncourt und den Berliner Symphonikern in die Anlage und versuchte zu lesen.
    Plötzlich das Klirren von Glas, laut wie eine Explosion. Allmen sprang aus dem Sessel, aber schon wurde er von hinten gepackt. Eine Hand drückte ihm die Luft ab, ihm wurde schwarz vor den Augen.
    Ein greller Schmerz durchfuhr erst den linken und dann den rechten Arm. Er wurde grob in den Sessel gedrückt.
    Als er sich wieder zurechtfand, saß er schweratmend in seinem Lesesessel. Die Arme waren eng hinter den Rücken gefesselt. Schultern, Ellbogen und Handgelenke ein einziger Schmerz.
    Jetzt hörte er Lärm im Vestibül, wie von einem Handgemenge.
    »Hijo deputa!«, rief Carlos’ Stimme.
    Eine Männerstimme: »Jack! Over here!«
    Der Mann, der hinter Allmen stand, rannte los. Er sah ihn jetzt zum ersten Mal: schwarzes T-Shirt, Jeans, schwarze Strumpfmaske. Er verschwand in der Tür zum Wohn-Esszimmer, stieß etwas um, das sich anhörte wie die kleine Hausbar.
    Immer noch der Lärm der Rauferei. Noch einmal Carlos mit »Hijos de puta!«, ein Schlag wie eine Faust auf einen Sandsack, dann Stille, nur noch Keuchen.
    Zwei Männer kamen in die Bibliothek. Sie trugen Carlos an Armen und Beinen, wie ein erlegtes Wild, und ließen ihn auf den Kelim fallen, gerade noch in Allmens Blickfeld. Carlos hatte Mund und Augen halb geöffnet und blutete aus der Nase.
    Einer der beiden kauerte sich vor Allmen nieder und blickte ihn an. Auch er ganz in Schwarz, nur seine Strumpfmaske war braun. Das rechte Auge war halb zugeschwollen. Wohl Carlos’ Verdienst.
    Er hielt die Hand auf. »Du gibst es mir, und wir sind weg.« Er sprach mit Londoner Akzent.
    »Was?«, brachte Allmen heraus.
    »Sokolow hatte es, jetzt hast du es, und keinem von beiden gehört es.«
    Carlos stöhnte, der zweite Mann versetzte ihm einen Tritt.
    »Sehen Sie nicht, wie schlecht es ihm geht!«, schrie Allmen ihn an.
    Der Mann versetzte Carlos einen weiteren Tritt.
    Der andere hielt Allmen die offene Hand noch fordernder entgegen.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Carlos kassierte einen weiteren Tritt. »Hören Sie auf!« Noch ein Tritt.
    Allmen hatte kein Gefühl mehr in den Händen und spürte, wie ihm die Taubheit die Arme heraufkroch. Carlos blutete, und dass er aufgehört hatte zu stöhnen, hielt Allmen für ein noch schlechteres Zeichen. Er gab auf. Er deutete mit dem Kinn auf den Schreibsekretär. »Dort. In einer Schublade.«
    Carlos stöhnte auf und bekam einen Tritt.
    Der Londoner ging zum Möbel. »In welcher?«
    Allmen seufzte. »Ich weiß es nicht mehr.«
    Der Mann riss grob die erste der kleinen intarsierten Schubladen heraus, schüttete ihren Inhalt auf die Schreibfläche und durchsuchte den Schubladeninhalt. Der andere gesellte sich zu ihm und half ihm dabei.
    Hinter den beiden sah Allmen plötzlich zwei weitere Männer aus dem Nebenzimmer kommen. Sie hatten Pistolen in den Händen und machten ihm Zeichen zu schweigen.
    Der Londoner kippte eine weitere Schublade aus.
    »Freeze!«, schrie einer der Bewaffneten und: »Down!«
    In ein paar Sekunden lagen die beiden auf dem Bauch und trugen Handschellen. Jeder Handgriff hatte gesessen, als hätten die vier die Choreographie dieser Festnahme gemeinsam einstudiert.
     
    9
     
    Kaum lagen

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