Allmen und der rosa Diamant
und ließ sich nach ein paar Unverbindlichkeiten von Carlos zum Gartentor begleiten.
Das zweite erwähnenswerte Vorkommnis war der Besuch eines Beamten der Bundespolizei. Ein Herr Mitte fünfzig, sehr korrekt und formell, mit einem sehr kleinen Notebook, das er auf den Knien balancierte, während er behende Allmens Aussage niederschrieb.
Am Schluss der Protokollaufnahme fragte Allmen: »Die beiden haben Sokolow ertränkt, nicht?«
Der Beamte nickte.
»Weiß man, weshalb?«
»Sie sagen, es sei ein Unfall gewesen. Sie hätten versucht, Informationen aus ihm herauszuholen, indem sie ihn immer wieder unter Wasser gedrückt hätten. Dabei sei er ihnen ertrunken.«
»Und das glauben Sie?«
»Jedenfalls muss sich Herr Sokolow sehr gewehrt haben. Er war voller Hämatome und hatte dann-Spuren unter den Nägeln, die mit der dann der beiden übereinstimmen.«
»Was geschieht mit ihnen?«
»Sie werden den deutschen Kollegen überstellt.«
»Weiß man, in wessen Auftrag sie handelten?«
»Man geht von einer bestimmten konkreten Annahme aus. Mehr kann ich Ihnen im Stadium des laufenden Verfahrens nicht sagen.«
»Ein gewisser Herr Montgomery?«
Der Beamte schwieg.
»Und weiß man, für wen Montgomery arbeitet?«
Der Beamte stand auf, überreichte Allmen sein Kärtchen und sagte: »Wenn Ihnen noch was einfällt, melden Sie sich doch bitte.«
Ansonsten verliefen die Tage ruhig und ereignislos. Der Fall »rosa Diamant« wurde von Allmen International Inquiries zu den Akten gelegt, Allmen verwendete seine Kreativität wieder vermehrt auf das Vortäuschen von Solvenz, und Carlos bereitete seine Entscheidung Sorgen, dass er sein Arbeitspensum bei k, c, l&d Treuhand auf fünfzig Prozent reduziert hatte. Sorgen, die die lebenslustige und optimistische Maria Moreno allerdings zu vertreiben verstand.
12
Seit Carlos dank der Erfolgsprämie für die Libellen etwas Geld auf der Seite hatte, interessierte er sich für Wirtschaftsthemen. So kam es, dass er eines Abends im Wirtschaftsteil einer von Allmen bereits ausgelesenen Wochenzeitung auf die folgende Meldung stieß:
Hedge&Win unter Verdacht
Der englische Hedgefonds »Hedge&Win« steckt möglicherweise hinter dem Diebstahl der HFT -Software, die ein früherer Mitarbeiter der Investmentbank Brookfield Klein bei seiner Verhaftung auf dem Boston Logan International Airport bei sich trug. Das jedenfalls geht aus dem Zwischenbericht der New Yorker Staatsanwaltschaft hervor, die den Fall untersucht.
Das Computerprogramm ist das Resultat jahrelanger Entwicklungsarbeit. Es wird von der Bank dafür eingesetzt, Hockfrequenzbörsengeschäfte abzuwickeln. Dem Verdächtigten, dem Kanadier Paul La Route, einem ehemaligen Mitarbeiter der auf Hochfrequenzhandel spezialisierten Investmentbank Brookfield Klein, konnten für die Monate vor seiner Verhaftung intensive Kontakte zum Hedgefonds nachgewiesen werden.
Paul La Route? Der Name kam ihm bekannt vor.
Es wurde jetzt schon viel früher dunkel, auch war der Mond fast neu, daher konnte Carlos ohne Angst, gesehen zu werden, zum Kamin hinaufsteigen.
Es war immer noch warm und windstill. Dunkel stand die Villa da, durch die Fenster sah er das schwache Leuchten und Blinken der Büroelektronik. Das große Glasdach der Bibliothek war schwach erleuchtet. Vom Flügel klang die Nocturne herauf, die Allmen am leidlichsten beherrschte.
Carlos hievte den Laptop vorsichtig aus dem Kamin und stieg zu seinem Mansardenfenster hinunter.
Unter dem Absender oder Empfänger »La Route« gab es dreizehn Mails. Die erste lautete: »Hi Artjom, back in nyc, immer noch etwas verkatert, aber nüchtern genug, um zu bekräftigen:
Das Projekt Vivid P. war ernst gemeint. Ich hoffe, für dich auch. Cheers! Paul«
Die Antwort stammte vom gleichen Tag: »Hi Paul, let’s go then! Artjom«
Postwendend mailte La Route zurück: »Great! Du wirst von mir hören. Paul«
Nach fast zehn Tagen Funkstille dann die nächste Nachricht. Sie enthielt einen Link zu einem Server und die Angaben: user: artjom, password: vividp33. Dazu ein kurzer Text mit den Anweisungen, das File vor 5 pm nyc-Zeit herunterzuladen, es sofort auf einen usb-Stick zu laden und es gleich danach von der Festplatte zu entfernen. Er selbst, La Route, werde es danach ebenfalls vom Server löschen.
Um 10 Uhr 32 Schweizer Zeit folgte bereits die Bestätigung von Sokolow: »Copied and deleted.« Kopiert und gelöscht.
Eine Minute später die Bestätigung von La Route:
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