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Allmen und der rosa Diamant

Allmen und der rosa Diamant

Titel: Allmen und der rosa Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Untermieter von Don Gregorio, dem sie eine symbolische Miete bezahlten oder schuldig blieben.
    Die einzige Aufgabe, die Allmen an diesem Vormittag erwartete, war mit einem Anruf bei seinem bewährten Bankfachmann Roland Kerbel erledigt.
    »Kennst du bei Brookfield Klein jemanden ganz oben in der Datenverarbeitung, und kannst du mir seine Mailadresse geben?«, hatte er ihn am Telefon gefragt. Kerbel hatte ihm die Adresse diktiert: tbl@ brookfield-klein.com .
    Um elf kam Carlos zurück. Er hatte Internetcafés ausfindig gemacht, die weit genug entfernt lagen, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen waren. Sie wollten jede Nachricht von einer anderen Adresse aus schicken.
    Er kopierte den Anfang und den Schluss der Zahlen- und Buchstabenreihe aus der Datei und fügte sie in eine Mail ein. Sie trug die höchste Priorität und war adressiert an tbl@brookfield-klein. com.
    Der Text war kurz: »Contact within 24 hrs, pls.« Bitte innerhalb von 24 Std. Kontakt aufnehmen.
    Unter der Zeichenreihe befand sich ein Link. Er führte zu rosadiamant.com , einer Website, die Carlos vom Internetcafe aus eingerichtet hatte. Sie enthielt den Anfang und den Schluss der Zeichenreihe und den Text: »To be completed by September 12.« Wird am 12. September vervollständigt.
    Carlos kopierte die Nachricht auf einen Stick und verließ die Wohnung. Das Warten begann.
     
    21
     
    Im Laufe des Nachmittags ging Carlos zweimal in Internetcafes vorbei. Beide Male vergeblich, der Mann von Brookfield Klein hatte nicht reagiert.
    Allmen las oder tigerte im kleinen Zimmer auf und ab. Oder er starrte zum Fenster hinaus. Gegenüber stand das gleiche Haus wie das, in dem er sich befand. Dazwischen lagen zwanzig Meter Steinplatten, über die Wäscheleinen gespannt waren.
    Einmal sah er eine Frau zwischen den Wäschestücken hin- und hergehen. Sie prüfte den Feuchtigkeitsgrad, nahm die trockenen ab und legte sie sich über den Arm. Ein kleiner Junge fuhr in der Nähe auf seinem Dreirad. Immer wieder blieb eines der schmalen Räder in einer Plattenfuge stecken. Geduldig stieg der Junge ab, machte sein Dreirad wieder flott und fuhr weiter.
    Am Abend kochte Carlos ein guatemaltekisches Essen für zehn Personen. Guacamole – Avocadopaste -, Hackplätzchen mit scharfer Tomatensauce, frittierte Kochbananen, schwarze Bohnen, Maistortillas, Chilisauce.
    Allmen leistete ihm Gesellschaft.
    Er sah zu, wie Carlos die Avocados mit einer Gabel zu einer Paste verarbeitete, sie mit gehackter Zwiebel, gehacktem Koriander und Salz vermischte, einen der Avocadokerne dazulegte und die Guacamole in den Kühlschrank stellte.
    »Weshalb lassen Sie den Kern drin, Carlos?«
    »Damit die Avocado nicht schwarz wird.«
    »Weshalb wird sie so nicht schwarz?«
    »Weil sie glaubt, sie sei noch ganz.«
    Carlos schälte die Kochbananen aus ihrer fast schwarzen Schale.
    »Die plátanos sind faul, Carlos.«
    »Platanos sind erst reif, wenn ihre Haut schwarz ist.«
    Er schnitt die Bananen in daumenlange Stücke und legte sie in einem Teller zum Frittieren bereit.
    Allmen löcherte ihn weiter mit Fragen. Aber es half nicht gegen die Nervosität.
     
    Carlos’ Essen war ein Höhepunkt im eintönigen Leben der Sans-Papiers. Sie nötigten ihn, die Übertragung des Spiels Honduras gegen El Salvador der Mittelamerika-Meisterschaft mit anzuschauen. Er saß mit ihnen auf der Kante eines der Betten im engen Wohn-Schlafzimmer und versuchte, sich zu benehmen wie ein Fußballfan.
    Allmen schaute höflich eine Weile von der Tür aus zu und nutzte die Aufregung um den Führungstreffer von Honduras, um sich ins Bad und dann ins Zimmer zurückzuziehen. Er legte sich ins Bett und versuchte, beim schlechten Licht der Stehlampe, der einzigen Lichtquelle des Raumes, zu lesen.
    Er wartete ungeduldig auf Carlos. Immer wieder hoffte er, der Jubel und die Aufschreie aus dem Fernsehraum bedeuteten das Ende des Spiels. Als Carlos endlich leise das Zimmer betrat, fragte er: »Wie spät ist es, Carlos?«
    »Halb zwölf, Don John.«
    »Halb sechs in New York.«
    »Die Internetcafes haben geschlossen, Don John. Wir müssen warten bis morgen früh.«
    Es dauerte lange, bis Allmen in einen unruhigen Schlaf fiel. Als er erwachte, war Carlos’ Bett leer.
    Nachdem er das Bad verlassen hatte, saß Carlos am Tisch vor dem Laptop. Er hatte den kleinen Datenträger eingesteckt und die Kopie einer Mail geöffnet. Sie kam von [email protected] und enthielt nur zwei Wörter und ein Satzzeichen: »Your

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