Allmen und der rosa Diamant
Jahresende, und die Miete ist bis dahin bezahlt. Das Einzige, was ich für Sie tun kann, ist, Sie ganz zuoberst auf die Interessentenliste zu setzen. Aber wenn der Mieter den Vertrag verlängert, hat er natürlich Priorität.«
Allmen hatte sich die Erklärung kopfnickend angehört. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich erhöhe die Miete von - wie hoch war sie? Siebzehn plus Nebenkosten?«
»Sechzehn«, korrigierte Schuler.
»Meinetwegen sechzehn auf - sagen wir neunzehn, wir machen einen Vertrag auf zehn Jahre mit einer Option auf weitere zehn, ich tätige in enger Absprache mit den Architekten von Immolux die nötigen Investitionen - über den Daumen gepeilt von mindestens einer Million -, die ich in diesen zehn Jahren abschreibe. Dafür kündigen Sie dem jetzigen Mieter - Vernachlässigung, Leerstand, Gründe gibt es genug. Und wir unterzeichnen noch diese Woche einen Vorvertrag mit diesen Bedingungen.«
Schuler machte ein Gesicht, als bekäme er jeden Tag solche Angebote. »Ich kann mich gern mal mit der Erbengemeinschaft kurzschließen, der das Haus gehört. Bis wann brauchten Sie eine Antwort?«
»Bevor Sie das tun, muss ich Sie um etwas bitten.«
»Worum?«
»Vierundzwanzig Stunden.«
Als Allmen sah, dass Schuler nicht verstand, fügte er hinzu: »Im Haus. Ungestört. Verstehen Sie das? Ich reagiere auf Stimmungen, Atmosphäre, Schwingungen, nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich halte es am schönsten Ort keine Stunde aus, wenn die Atmosphäre nicht stimmt. Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden in der Spätbergstraße neunzehn, und wenn die Atmosphäre stimmt, machen wir Nägel mit Köpfen.«
Schulers Antwort kam sofort: »Das geht nicht. Stellen Sie sich vor, der Mieter kommt zurück und trifft Sie in seinem Haus an.«
Allmen sah ihn herausfordernd an. »Zehntausend Franken für Ihren Aufwand, bar auf die Hand, falls er zurückkommt.«
Schuler tat, als überlege er noch. »Vierundzwanzig Stunden? Sie allein?«
»Ich allein. Mit meinem Butler, natürlich.« Allmen lächelte entschuldigend. »Sie kennen das, man ist ziemlich aufgeschmissen ohne sie.«
16
Das Haus roch ungelüftet und feucht. Das Verpackungsmaterial der Möbel im Flur verbreitete seinen Geruch nach Karton, Holz und Lagerhaus.
In den Zimmerecken hatte sich Schmutz angesammelt, an Heizkörpern und Fensterrahmen hingen Spinnweben, auf den Fenstersimsen lagen tote Fliegen, und die Abendsonne, die manchmal zwischen den Gewitterwolken hervorschien, ließ einen weißlichen Film auf den Fensterscheiben aufleuchten.
Im großen Salon stand das Sofa noch immer wie eine Aussichtsbank vor dem Fenster. Allmen schauderte beim Gedanken, dass der Mann, der dort zuletzt gesessen hatte, tot war.
Im ganzen Haus war der Tod zu spüren. Nicht nur für Allmen, der den Bewohner gekannt hatte. Auch für Carlos.
»Huele la muerte«, sagte er, es riecht nach Tod.
Allmen ging voraus zur Verandatür und schloss sie auf. Als er sie öffnete, riss eine Windböe sie ihm beinahe aus der Hand.
Der Rasen hatte sich in eine Wiese verwandelt, deren Halme ihnen bis über die Waden reichten. Das Wasser im Schwimmbad war trübe, auf seiner Oberfläche trieben Insekten, auf seinem Grund faulten Blätter.
Der Wind entwickelte sich rasch zum Sturm und trieb ihnen vom See her schwarze Wolken zu.
Im Grotto war es etwas windgeschützt.
Auf der gemauerten Sitzbank, die die Wand entlanglief, hatte sich ein Moosbelag gebildet, der sich in den Fugen der geblümten Bodenfliesen fortsetzte. Der Mörtel, aus dem die Buckel, Mulden und Nischen der Innenwand gemauert waren, bröckelte an vielen Stellen und hinterließ dunkle Flecken im einst hellen Verputz.
Der Geruch nach Moder verlieh der ganzen Künstlichkeit etwas Natürliches.
In eine Nische unter einem Rauchabzug war der Grill gemauert. Eine unbenutzte, noch versiegelte Gasflasche stand darunter, der Verbindungsschlauch lag daneben. Der Rost war mit einer verchromten Haube geschützt. Allmen hob sie an. Mit einem ächzenden Geräusch ließ sie sich nach hinten kippen. Ein Tier verkroch sich blitzschnell unter den Gasbrennern. Eine Maus oder eine Eidechse, Allmen hatte es nicht erkennen können.
Er öffnete den Kühlschrank, der unweit vom Grill eingelassen war. Er musste lange Zeit ausgeschaltet und geschlossen gewesen sein. Gestank schlug ihnen entgegen. Allmen hielt sich die Nase zu und sah hinein. Er war leer bis auf eine halbvolle Flasche Bier, deren Etikett durch einen Schimmelbelag unlesbar geworden war. Er
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