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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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danach leer.
    8
    Herr Klettmann war beschäftigt. Er stand in seiner Loge über einen Stadtplan gebeugt und erklärte einem russischen Paar den Weg zur »Straße mit den teuersten Uhren«, wie sich der Mann ausdrückte. Der Concierge sprach ganz passabel Russisch, fand Allmen. Nur das Wort игрушки, igruschki, verstand er nicht. Allmen wusste, dass es »Spielzeug« hieß, aber aus Höflichkeit tat er so, als ob er in die Zeitung vertieft wäre und nicht in das Gespräch der drei.
    So musste er warten, bis Herr Klettmann verstanden hatte, dass das Paar nach einem Mitbringsel für ein Kind suchte.
    »Was kann ich für Sie tun, Herr von Allmen?«, fragte er mit Betonung auf dem Allmen, als die beiden endlich gingen.
    »Ich wollte Sie um einen Termin bitten.« Allmen zog seine Karte hinter dem Einstecktuch hervor.
    Der Concierge sah nicht darauf. »Ich bin informiert«, sagte er. Und wiederholte: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich brauche eine Liste aller Départs zwischen dem vierten und dem siebten April.«
    Herr Klettmann machte sich eine Notiz. Allmen fiel auf, dass auch seine Handrücken unbehaart waren.
    »Sonst noch etwas, Herr von Allmen?«
    »Eine Liste der Lieferanten und eine des Personals.«
    Der Concierge notierte. »Darf ich fragen, wozu Sie das brauchen?«, fragte er, ohne von seiner Notiz aufzuschauen.
    »Eine Versuchsanlage. Wir nehmen einen fiktiven Zeitraum an und spielen durch, wer in diesem die Möglichkeit gehabt hätte, Wertgegenstände aus dem Haus zu schaffen.« Allmen war sich jetzt doch nicht so sicher, ob die »Sprachregelung« wirklich überzeugend war.
    »Das Personal muss am Personaleingang einstempeln und ausstempeln und, falls es Taschen oder andere Gepäckstücke dabeihat, deren Inhalt zeigen. Seit ein Haustechniker vor über zwanzig Jahren einen Zimmertresor mit Inhalt hat mitgehen lassen.«
    »Auch das Personal von Madame Gutbauer?«
    Herr Klettmann tat, als verstehe er nicht.
    »Auch das Personal aus der vierten Etage?«
    »Selbstverständlich. Das ganze Personal.«
    »Hat jemand vom Hotelpersonal Zugang zur Vierten?«
    »Niemand.«
    »Und im Notfall?«
    »Gibt es einen Notfallschlüssel.«
    »Der sich wo befindet?«
    »Im Safe.«
    »Und wer hat Zugang zum Safe?«
    »Die Réception, der Concierge, das Büro.«
    »Diese Namen bräuchte ich auch, bitte.«
    Der Concierge nickte knapp. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    »Im Augenblick nichts, danke für Ihre Hilfe. Ich setze mich so lange in die Lobby.«
    »Wenn Sie so viel Wert auf Diskretion legen, müssen wir schon warten, bis der Letzte im Büro nach Hause gegangen ist. Um halb acht. Ich kann Ihnen die Unterlagen um acht aufs Zimmer bringen lassen.«
    Es war erst kurz vor sechs. Allmen bedankte sich, ging in seine Suite und nahm das Buch vom Nachttisch, das er gerade wieder las: The Quiet American von Graham Greene.
    Das war eine der wenigen angenehmen Seiten dieses Berufs: viel Zeit zum Lesen.
    9
    Allmen hatte sich gerade fertig für den Abend umgezogen, als es klopfte. Es war Herr Klettmann, der ihm die Unterlagen persönlich überbrachte. Er hatte seine Uniform abgelegt und trug eine Lederjacke, die der Würde seiner Erscheinung nicht zuträglich war. Allmen bat ihn herein und bot ihm einen Sessel in der kleinen Sitzgruppe an. Sie setzten sich, und der Concierge überreichte ihm ein Mäppchen mit Papieren.
    Zuoberst lag eine mehrseitige Tabelle mit Namen und Adressen der Gäste, die zwischen dem vierten und dem siebten April ausgecheckt hatten. Es waren acht.
    »Ich dachte, es wären mehr«, bemerkte Allmen.
    »Mehr? Es sind mehr als die Hälfte.«
    Allmen sah ihn überrascht an.
    Herr Klettmann erklärte: »Das Hotel hat achtunddreißig Zimmer und war zu weniger als fünfzig Prozent ausgelastet. Achtzehn Zimmer waren besetzt. Davon drei mit Dauergästen. Wenn wir die abziehen, sind es fünfzehn. Acht sind also mehr als die Hälfte.«
    »Unter fünfzig Prozent Auslastung? Kommt das oft vor?«
    Herr Klettmann lächelte bitter. »Nicht oft. Meistens liegt sie tiefer.«
    Allmen sah sich die nächste Liste an. Sie enthielt Namen, Jahrgänge, Eintrittsdaten und Funktionen der Angestellten.
    »Sechsundzwanzig«, kommentierte der Concierge. »Mehr als zum fraglichen Zeitpunkt Gäste.«
    Die dritte Liste enthielt die Namen der Lieferanten. Feinkosthändler, Bäcker, Metzger, Wein- und Getränkelieferanten, Konditor, Installateur, Liftmechaniker, Elektriker und so weiter. Hinter denen, die in den drei Tagen im Haus

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