Allmen und die Dahlien (German Edition)
waren, hatte Herr Klettmann ein Häkchen gemacht. Es waren sieben.
Allmen warf einen Blick darauf und schob alle Dokumente zurück ins Mäppchen. Der Concierge stand auf und verabschiedete sich. Als er die innere der beiden Türen bereits geöffnet hatte, fragte er: »Was ist gestohlen worden?«
Allmen wurde von der Frage etwas überrumpelt und zögerte.
Klettmann ließ nicht locker. »Ein Bild aus… aus dem Vierten?«
»Wie gesagt, ich mache eine Sicherheitsüberprüfung.«
»Für wen?«
»Für eine Klientin aus dem Bereich der Versicherungsbranche.«
Herr Klettmann musterte ihn mit seinen anderthalb Augen und zeigte ein dünnes Lächeln. »Diskretion ist auch mein Geschäft.«
Sie wünschten einander einen angenehmen Abend. Herr Klettmann verschwand im Personalaufzug, Allmen kurz darauf in dem für Gäste.
Diesmal war das Barpiano live. Eine untersetzte Blondine spielte routiniert die Standards und schenkte ihm ein Lächeln, als er sich an die Bar setzte. Sie mochte etwas über fünfzig sein und trug ein Cocktailkleid.
Er bestellte eine Margarita-trocken-wenig-Cointreau und sah dem Barkeeper zu, wie er den Drink zubereitete. Es war derselbe wie bei seinem ersten Treffen mit Cheryl Talfeld: der etwas gebückte ältere Mann mit dem gutsitzenden, etwas abgetragenen Smoking. Vom Cocktailmixen verstand er offensichtlich mehr als vom Kaffeemachen. Er arbeitete schnell, elegant und ohne Messbecher. Und das Resultat schmeckte genau so, wie Allmen es liebte: nicht zu süß, nicht zu sauer und knapp über dem Gefrierpunkt.
Es waren nur zwei Tische besetzt. Am einen saß das russische Paar vom Nachmittag. Am anderen ein in sich zusammengesunkener greiser Mann mit einem kahlen Schildkrötenkopf, der an einer Zigarre nuckelte und die Lippen im Selbstgespräch bewegte.
Allmen ließ seinen Blick zu seiner Margarita zurückwandern und begegnete dabei dem der Pianistin. Er erwiderte ihr Lächeln, obwohl er wusste, dass er damit zu ihrem einzigen Zuhörer geworden war. Das passierte ihm immer mit Barpianisten. Er ließ sich in ihren musikalischen Monolog verwickeln, zu kennerhaftem Kopfnicken nötigen, zu einsamem, dünnem Applaus und zu Drinks vom Herrn an der Bar.
Ein Paar betrat die Bar und setzte sich an einen Nischentisch, weit weg von den Fenstern. Allmen taxierte sie kurz und dachte: So passé ist das Schlosshotel inzwischen, dass man hierherkommen kann, wenn man nicht gesehen werden will.
Der alte Mann klopfte mit dem Siegelring energisch an sein Glas und reckte den runzeligen Hals aus dem viel zu weiten Kragen. Sofort brachte ihm der Barmann die Rechnung, half ihm aus dem Sessel und stützte ihn durch die offene Schwingtür ins Restaurant.
»Ein Dauergast?«, fragte Allmen, als der Barkeeper zurückkam.
»Seit acht Jahren. Und immer noch jeden Tag seine Cohiba und seinen Rum. Dabei ist er über neunzig.«
»Beneidenswert.«
Der Barmann stimmte bei. »Vor allem, es sich leisten zu können.«
Dieser Aspekt überraschte Allmen. Er selbst befürchtete nie, dass er sich eines Tages irgendetwas nicht mehr würde leisten können. Er bestellte noch eine Margarita. »Und was trinken Sie?«
»Bier. Danke.«
»Und die Frau am Klavier?«
»Einen Zweier Bordeaux.«
Der Barmann brachte ihr den Wein und kam zurück mit der Frage, was er denn gerne hören wolle.
»Cole Porter. In the Still of the Night «, wünschte er sich. Vielleicht waren der Musikwunsch und das Bier zwei Fehler gewesen. Aber vielleicht auch nicht. Barkeeper und Barpianisten sind gute Beobachter.
10
Auch der Schlosshotel-Grillroom war schwach besetzt. So schwach, dass der Chef de Service ihn an einem Vierertisch am Fenster placiert hatte. Allmen hatte einen Kellner daran gehindert, den Vorhang zuzuziehen, und sah der Dämmerung zu, die rasch auf Straße, See und Promenade fiel.
Die Autos fuhren mit Scheinwerfern, die elektrifizierten Gaslaternen tauchten die wenigen Fußgänger in ihr kaltes Licht, vom gegenüberliegenden Ufer glitzerten die Vororte.
Es roch gemütlich nach ancienne cuisine – geschmolzener Butter, erhitzter Sahne, reduzierten Saucen, nach Ausgebackenem, Gebratenem und Gegrilltem. Allmen hatte einen nullsechser Chambertin-Clos de Bèze bestellt, der etwas zu warm in einem überdimensionierten Burgunderglas serviert wurde. Die Flasche trug einen runden Kleber, auf dem seine Zimmernummer vermerkt war. Man ging davon aus, dass er nicht die ganze Flasche schaffte.
Der greise Dauergast saß an einem Zweiertisch, hatte die
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