Allmen und die Dahlien (German Edition)
angemessenen Verspätung mit ein wenig Alkohol überbrückt hatte. Remo hatte auch das überlegene Lächeln, das seine unberechenbare Stimmung verriet. »Nur dir zuliebe«, sagte er. »Ich gehe praktisch nicht mehr aus.« Er unterstrich die Behauptung mit einer seiner tuntigen Handbewegungen, die ihm mit zunehmendem Pegel unterliefen.
Sie fuhren stumm durch das Schneegestöber.
»Wenn ich nur daran denke«, stöhnte Remo, »wie oft wir hören werden, wie passend es sei, dass es bei der Eröffnung des Snow White Clubs schneit, muss ich gleich kotzen.«
Der Club lag im ehemaligen Industriegebiet der Stadt in einem gläsernen Neubau. Zwei schwarzuniformierte Security-Leute bewachten den Parkplatz und lotsten Herrn Arnold bis zum Eingang. Allmen gab dem Fahrer zwei Hunderternoten aus Madame Gutbauers Spesenvorschuss und bat ihn zu warten.
Vor dem Eingang staute sich eine kleine Menschenmenge, aber einer der zwei Meter großen Türsteher kannte di Gioya und ließ sie durch.
Der Club war ganz in Schneeweiß gehalten und bildete den Hintergrund für ein Lichtdesign, das alles in wechselnde Farben tauchte. Auch die Gäste, von denen die meisten ganz in Weiß erschienen waren. Remo bahnte sich einen Weg durch die tanzende, trinkende und schwatzende Menge, und Allmen blieb ihm dicht auf den Fersen.
Sie erreichten einen von einem Neonlichtbogen eingefassten Durchgang. Ein Türsteher war gerade damit beschäftigt, zwei jungen Frauen den Eintritt zu verwehren, di Gioya drängte sich nonchalant vorbei. Der Security-Mann blickte auf, erkannte ihn und nickte ihm zu. Di Gioya deutete hinter sich und sagte: »Der gehört zu mir.« So erhielt auch Allmen Einlass.
Sie betraten einen Raum, in dem es etwas ruhiger war. Die Gäste standen weniger dichtgedrängt, es gab Tische und Sofas und eine runde Bar, auch hier alles in Weiß. Sie befanden sich im VIP -Bereich.
Allmen und di Gioya setzten sich an die Bar und lehnten die Standarddrinks ab – Tiger Milk oder White Lady. Remo bestellte Mojito, Allmen blieb beim Bourbon.
Aus den Boxen klang dieselbe easy listening music wie im ersten Raum, nur leiser. Die Gäste waren etwas älter und sahen nach mehr Geld aus. Allmen entdeckte viele Gesichter, die er kannte. Entweder von früher oder von der Leute-Presse oder von beidem. Ein paar winkten herüber, aber meistens war nicht er gemeint, sondern di Gioya.
»Manchmal wünsche ich mir, ich wäre pleite wie du«, murmelte der. »Dann wäre ich das Pack los.«
»Wie kommst du darauf, dass ich pleite bin?«
»Pardon. Ich dachte, das sei offiziell.«
Allmen ließ es auf sich beruhen.
Eine blonde Frau, in sehr wenig Weiß gekleidet, kam auf sie zu, mit jedem Schritt ein Jahr älter. Vor di Gioya blieb sie stehen und küsste ihn auf den Mund. »Ist es nicht wunderbar, dass es schneit bei der Eröffnung des Snow White Clubs?«
Remo di Gioya übergab sich nicht. Er sagte nur: »Wunderbar, Sarah.«
Sie entfernte sich, hielt aber seine Hand so lange fest, wie ihr Arm reichte, als könne sie sich kaum von ihm trennen. »Ich bin dort drüben.« Sie deutete mit dem Kinn auf ein Grüppchen.
»Bin gleich bei euch«, lächelte er.
»Kommst du auch?«, fragte er Allmen. »Best coke in town.«
Allmen schüttelte den Kopf. »Aber bevor du gehst, stellst du mich Rebler vor.«
Remo trank sein Glas leer. »Dann komm«, befahl er und rutschte vom Hocker. Allmen folgte ihm.
Tino Rebler saß auf einem weißen Fauteuil und sah mit gönnerhaftem Lächeln dem Treiben zu. Di Gioya begrüßte ihn mit: »Gratuliere! Und schneien tut es auch noch.«
Rebler war ein fülliger Mann um die sechzig. Sein Haar war so weiß wie alles im Snow White Club. Es war dick und dicht, straff nach hinten gekämmt und setzte tief in der Stirn an. Er lachte mit zu makellosen Zähnen und gab erst di Gioya die Hand und dann Allmen.
»Du erinnerst dich sicher, John von Allmen.«
Rebler nickte, sah aber nicht aus, als erinnere er sich. Allmen half. »Freund von Claude. Claude Tenz.«
»Natürlich, Claude. Wie geht es ihm? Habe ihn noch gar nicht gesehen heute.«
»Er macht sich ein wenig rar dieser Tage. Haben Sie seine neue Handynummer schon?« Allmen ließ die Frage klingen, als würde er sie ihm andernfalls geben, und zückte sein Telefon.
»Ja, danke, die habe ich«, antwortete Rebler.
Allmen sah auf das Display seines Handys. »Aber ich offenbar nicht mehr. Weg. Elektronik!« Er suchte den Blick von Rebler, aber der wandte sich in diesem Moment di Gioya zu. »Viel
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