Allmen und die verschwundene María
achselzuckend. »Vielleicht jetzt.«
»Wie ›jetzt‹?«
»Der Müll von Mrs. Cutress blieb im Putzwagen. Es war spät.«
Carlos und Allmen wechselten einen Blick.
»Wo ist der Putzwagen?«, fragte Carlos.
»Im Putzraum unten.«
Carlos ging voraus. Er wusste von seinem Einsatz als getarnter Bodyguard, wo der Putzraum lag. Allmen und Adnan folgten ihm. Sie nahmen die [96] Treppe und eilten zwei Etagen tiefer an den Zimmertüren vorbei bis zu einer Tür mit der Aufschrift »Privat«.
Dort, in der Mitte eines Raumes voller Einbauschränke und Regale, stand der Putzwagen neben einem Staubsauger.
Der Müllsack war in einen Metallrahmen am Putzwagen gespannt. Sie sahen von weitem, dass er schlaff herunterhing. Er war neu und leer.
Adnan stand schulterzuckend in der Tür und sagte: »Schon weg.«
Allmen und Carlos ließen sie stehen und rannten das Treppenhaus hinunter ins Untergeschoss und zu dem Raum, in dem sie in der Nacht die Müllsäcke durchstöbert hatten.
Die Container waren weg.
Sie eilten durch die Tiefgarage über eine Rampe ins Freie. Dort warteten die Container in Reih und Glied. Zwei Männer in grünen Schürzen standen daneben und rauchten. Von Carlos, den sie noch von seinem kurzen Gastspiel als Kollegen kannten, ließen sie sich nicht stören. Aber als sie in dem Mann hinter ihm einen Gast erkannten, traten sie die Zigaretten aus und begannen, den ersten Container die Rampe hinunterzurollen.
Carlos blieb entmutigt stehen. Allmen war bereits beim ersten Anblick der Männer ins Schritttempo [97] zurückgefallen. Männer in Anzügen, die rannten, sahen immer etwas unpassend aus. Aber er machte noch die paar Schritte bis zu den Arbeitern am Container. »Alle geleert?«, fragte er und versuchte, sein Keuchen zu unterdrücken.
»Ja«, antwortete der Ältere.
»Schon lange?«
»Gerade eben.«
Der Jüngere wies auf die Straße, die am Hotel vorbeiführte. Hundert Meter entfernt, in einer vor einer Ampel wartenden Kolonne, stand der Müllwagen.
Das Licht wechselte auf Grün, der Wagen stieß eine Abgaswolke aus und fuhr davon.
6
Der Fahrer der Hotellimousine des Schlosshotels war wenig ausgelastet und stand kurz vor der Pensionierung. Er kannte den direktesten Weg zur Kehrichtverbrennungsanlage. Aber gegen den Berufsverkehr war auch er machtlos. Der alte, gepflegte Mercedes 600 Pullman stand nicht anders als die bescheideneren, von genervten Berufstätigen gesteuerten Autos hilflos im Stau. Oder er bewegte sich im Schritttempo, wie alle anderen.
[98] Der Chauffeur tröstete seine Fahrgäste damit, dass der Kehrichtwagen ja auch nicht rascher vorankomme. Aber das war ein schwacher Trost für Allmen und Carlos. Die Zeit drängte, in drei Stunden hatten sie einen Termin.
»Kein Termin ist lebenswichtig«, philosophierte der alte Fahrer. Allmen sah Carlos an, dass er ihm am liebsten eine gescheuert hätte.
Die Theorie, dass der Verfolgte im Stau nicht schneller sei als der Verfolger, wurde denn auch durch einen harmlosen, von einem ungeduldigen Lieferwagenfahrer verursachten Auffahrunfall widerlegt. Drei Fahrzeuge mit kleinen Blechschäden brachten den stockenden Verkehr vollends zum Stillstand.
Es war nach halb neun, als sie endlich vor der Pforte der städtischen Kehrichtverbrennungsanlage hielten. Wenn der Wagen auf dem Weg zur Anlage war, musste er inzwischen längst eingetroffen sein.
Der Pförtner suchte gleichmütig seinen Bildschirm nach dem betreffenden Wagen ab, als hätte er es jeden Tag mit livrierten Chauffeuren in Staatskarossen zu tun. Ja, der Wagen war eingetroffen. Er müsste noch vorne im A -Bereich sein.
»Wo genau befindet sich der A -Bereich?«, fragte Allmen.
»Dort«, er machte eine vage Handbewegung in [99] eine Richtung, »es ist angeschrieben, Kehricht. Gemischte Siedlungsabfälle. – Sie müssen hier weg.«
Hinter ihnen hatte ein dröhnender Müllwagen ungeduldig zu hupen begonnen. Allmen stieg ein, und der Chauffeur fuhr sie umsichtig an den wartenden Fahrzeugen vorbei zu dem Platz mit der Bezeichnung »Bunker A , Kehricht«.
Ein Arbeiter in orangem Overall und Bauhelm winkte sie respektvoll durch. Wahrscheinlich dachte er, er habe es mit einem Staatsbesuch zu tun.
Der Hotelchauffeur parkte und öffnete Allmen und Carlos den Schlag.
Sie befanden sich in einer riesigen Halle. Der Lärm war ohrenbetäubend. Ein Müllwagen fuhr auf eine Waage, ein anderer kippte seine Ladung in eine Betongrube. Die Luft war staubig und stank nach Abfall.
Carlos
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