Allmen und die verschwundene María
Er tippte die Daten [104] ins GPS , und das Gerät zeigte ihm eine Stelle in der Landwirtschaftszone westlich des Flughafens.
Die Stimme des Positionssystems leitete sie durch Dörfer und Weiler, an frischgepflügten Äckern und stattlichen Höfen vorbei zu einem Wald.
Auf einer schmalen Teerstraße fuhren sie ein paar hundert Meter am Waldrand entlang und unvermittelt in den Tannenschatten. Kurz nach einem Holzeinschlag, in dem nicht gearbeitet wurde, befahl ihnen die Frauenstimme des GPS , rechts abzubiegen. Das Teersträßchen ging in einen Forstweg über. Nach zweihundert Metern sagte die Stimme: »Ziel erreicht.«
Herr Arnold hielt und drehte sich fragend zu seinen Fahrgästen um. Herr von Allmen blickte auf die Uhr. Es war zehn vor zehn.
»Danke, Herr Arnold. Wir sind ein bisschen zu früh. Wir warten hier.«
Arnold stellte den Motor ab und wartete schweigend. Seine Fahrgäste begannen, sich auf Spanisch zu unterhalten. Er selbst sprach recht gut Englisch, ein bisschen eingerostetes Schulfranzösisch und ein paar Brocken Baustellenitalienisch von seinem früheren Beruf als Polier, den er wegen eines Arbeitsunfalls hatte aufgeben müssen. Er war von einem Gerüst gefallen und litt seither unter Panikattacken auf Gerüsten und Leitern.
[105] »Wir sehen uns mal etwas um«, sagte Herr von Allmen und machte Anstalten, die Tür zu öffnen.
Arnold stieg sofort aus und öffnete ihm die Wagentür. Er tat das nicht nur bei von Allmen, er tat es bei allen Fahrgästen, obwohl er wusste, dass Herr von Allmen einer der Letzten war, die dies noch zu schätzen wussten.
Der Herr und sein Diener entfernten sich vom Wagen. Arnold fiel auf, dass Allmens Garderobe der ländlichen Umgebung des Treffpunkts angepasst war: Kordhose und Tweedjackett mit Lederknöpfen. Ein Landedelmann in seinem Forst. Passend zur Umgebung des Treffpunkts.
Sein Diener trug einen dunklen Anzug wie ein Oberkellner.
Die beiden Männer unterhielten sich mit ernsten Mienen. Plötzlich griff Herr von Allmen in die Brusttasche, zog sein Handy heraus, sah kurz auf dessen Display und hielt es sich ans Ohr. Er griff wieder in die Innenseite des Jacketts, förderte ein Notizbuch zutage, wusste nicht, wohin damit, hielt es schließlich mit den Zähnen fest, griff wieder hinein und holte einen Stift hervor. Er versuchte vergeblich, das Handy mit der Schulter ans Ohr zu pressen, bis Carlos diese Aufgabe übernahm. Jetzt erst begann Herr von Allmen zu notieren.
Im Stillen musste Arnold ein wenig lächeln über [106] das Paar: Der elegante Herr in mittleren Jahren schrieb mit zur Seite geneigtem Kopf, der kleine korrekte Begleiter hielt ihm mit ausgestrecktem Arm das Mobiltelefon ans Ohr.
Allmen steckte das Handy weg, und beide eilten auf den Wagen zu. Arnold öffnete die Tür, und Allmen rief schon von weitem: »Neues Ziel!«
Sie stiegen ein, und Arnold tippte die neuen Koordinaten in sein GPS .
Er musste wenden. Die Stimme dirigierte ihn ein kurzes Stück zurück und befahl ihm, links abzubiegen. Der Weg wurde wieder breiter und führte bergauf durch einen dichten Mischwald, vorbei an Holzstößen und Langholzdepots bis zu einer Kreuzung in einer kleinen Lichtung. Dort sagte die Stimme: »Ziel erreicht.«
Arnold hielt an, stellte den Motor ab und wartete auf Anweisungen. Aber Allmen schwieg nur und wartete.
Er hatte sein Telefon aus der Brusttasche geholt und hielt es in der Hand. Plötzlich führte er es ans Ohr, noch ehe es richtig geklingelt hatte. »Pronto?«
Er erhielt Instruktionen, die er weitergab: »Hier rechts. Hundertfünfzig Meter bis zu einem Wendeplatz. Dort anhalten.«
Sie erreichten den Platz. Er war noch vom letzten Regen aufgeweicht und wies die tiefen Spuren eines [107] Forstfahrzeugs auf. Arnold versuchte, die Spuren zu umfahren, aber der Platz reichte nicht aus. Daher hielt er und sagte: »So.« Hier wenden zu wollen konnte er vergessen. Er würde die hundertfünfzig Meter bis zur Abzweigung rückwärts fahren müssen.
Arnold stieg aus, um die Tür zu öffnen, und versank mit einem Schuh tief im Morast. Er ging um den Wagen herum. Auf Allmens Seite war es etwas trockener. Er stieg aus, noch immer mit dem Handy am Ohr. Carlos rutschte hinüber und folgte ihm. Er deutete auf den Kofferraum und sagte: »Das Gepäck.«
Arnold öffnete den Kofferraumdeckel und wollte das Paket herausheben. Aber Carlos sagte: »Con permiso«, und nahm es selbst. Der Chauffeur war sich jetzt sicher, dass es sich um ein Bild
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