Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
haben.
Trotz des Erfolges des antialkoholischen Gerstengetränkes gibt es für ABC auf dem ägyptischen Markt noch viel zu tun, vor allem für ihr alkoholhaltiges Produkt gibt es „religiöse und bürokratische Schwierigkeiten“, räumt ein Firmensprecher ein, und das, obwohl nach dem Gesetz jedes ägyptische Produkt überall im Land verkauft werden darf.
Im südlichen Oberägypten hat Alkohol einen sehr wichtigen Stellenwert, nicht nur wegen des relativ hohen Anteils christlicher Kopten an der Bevölkerung. Auch einige traditionelle Hochzeiten der Muslime werden dort im Bierrausch gefeiert. Fatalerweise ist gerade Oberägypten auch als Hochburg der militanten Islamisten bekannt.
Um Ärger zu vermeiden, haben mehrere Provinzverwaltungen den Verkauf von Alkohol völlig verboten. Zum Leid der Brauer: „Oberägypten ist eigentlich eine Goldgrube – ein unangezapfter Markt“, trauert Fateen Mustafa, Chefin von ABC’s Marketingabteilung, den ungenutzten Verkaufschancen nach. „Jetzt schmuggeln wir eben das Zeug, als sei es Haschisch“, beschreibt ein Mitarbeiter die Situation.
Kein Wunder also, dass sich der Bierkonsum an den Ufern des Nils in Grenzen hält. Im Schnitt trinkt jeder Ägypter nicht mehr als 0,6 Liter alkoholisches Bier im Jahr. Zum Vergleich: In Tunesien sind es acht, in der Türkei zwölf und in Deutschland 140 Liter. Vor zehn Jahren lag der ägyptische Durchschnittsverbrauch noch bei 1,6 Litern.
Ein zunehmend konservatives Klima im Land wollen die Brauer für diese Absatzeinbrüche nicht verantwortlich machen. Die Brauer sagen, der Rückgang liege daran, dass die bis vor kurzem in Staatsbesitz befindliche Brauerei den Ruf des Bieres völlig ruiniert hat. Fast schon sprichwörtlich war die schlechte Qualität des staatlichen Stella-Bieres.
In der Ausländergemeinde wurden über diese Biersorte Witze gerissen: „Es war einmal ein Amerikaner, der brachte eine Flasche Stella zu einer Laboruntersuchung in seine Heimat. ‚Ich habe eine schlechte Nachricht‘, sagte der Laborant nach Untersuchung der Probe mit betretener Miene: ‚Ihr Kamel ist zuckerkrank.‘“
Die Pointe wäre jetzt beleidigend: Seit die Brauerei 1997 privatisiert wurde, ist die Qual der Wahl zwischen schlechtem lokal produziertem Bier und importiertem Bier mit dreihundertprozentigem Zollaufschlag vorbei. Die Qualität des einheimischen Bieres hat sich merklich verbessert. Das Bier kann man sich auch nach Hause liefern lassen. Dezent abgedeckt, versteht sich. Denn eine alte ägyptische Volksweisheit lautet: „Wer Alkohol trinkt, dem kann man auch ansonsten nicht über den Weg trauen.“ Da hält man den Bierkonsum vor den Nachbarn lieber geheim.
In Hada’iq Al-Qubba, einem von Kairos Wohnvierteln der verarmenden Mittelschicht, befindet sich die Frontlinie des Bierkampfes im arabischen Feindesland. Hier geben meterhoch aufgestapelte Bierkisten der lokalen ABC-Filiale das Flair einer Kreuzritterburg. Der Alkohol in diesem Laden wird legal und mit Lizenz verkauft. Die meisten Kunden sind selber Händler, die sich hier mit Nachschub versorgen, den sie dann – selbstverständlich illegal und ohne Lizenz – weiterverkaufen. Aber auch in Hada’iq Al-Qubba gab es schon bessere Zeiten. Waren es vor sechzehn Jahren noch über sechshundert Händler, die sich hier eingedeckt haben, sind es heute nur noch 57.
So mancher, der den Laden mit größeren Mengen Bier verlassen hat, stieß draußen auf Schwierigkeiten mit der Polizei. Ein paar Flaschen zum eigenen Konsum sind erlaubt. Aber einige Kästen? Kaum. Auch im Laden selbst ist man sich, trotz Lizenz, seiner Sache nie ganz sicher: „Nicht einmal meine Familie weiß, dass ich hier arbeite“, sagt einer der Angestellten.
Mit der Nachbarschaft hat man sich arrangiert. Die konservativen Betgänger einer benachbarten Moschee haben dem sündhaften Treiben wenigstens am Freitag ein Ende gesetzt. Dem Leiter des Ladens wurde freundlich nahegelegt, wenigstens am geheiligten Feiertag die Tore geschlossen zu halten. „Selbstverständlich sind wir dem nachgekommen“, erklärt der, ohne darauf einzugehen, welche Folgen es gehabt hätte, wenn er sich nicht kooperativ gezeigt hätte. Wie alle Mitarbeiter im Laden ist auch er Muslim. Ob er seine Arbeit mit seiner Religion vereinbaren kann? Seine Antwort ist pragmatisch: „Was kann ich tun? Es ist alles festgeschrieben. Gott hat mir eben meinen Platz hier zugewiesen.“
Nachtrag: Das Geschäft mit dem ägyptischen Gerstensaft scheint sich zu
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