Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
überzeugt.
Frauensport – dem Scheich zu sexy
(Kuwait-City, 30. September 2000)
Der olympische Geist beseelt derzeit auch das kleine Wüstenemirat Kuwait. Zumindest, was den Männersport angeht. Das Land holte sogar die erste Medaille seiner Geschichte, als der kuwaitische Armee-Offizier Fehaid Al-Deehani im Doppeltrap-Schießen in Sydney Bronze gewann.
Mit dem Frauensport des Landes sieht es dagegen etwas anders aus. Nicht genug damit, dass das Olympiateam des Scheichtums in Australien ganz ohne Sportlerinnen auskommt. Jetzt wurde sogar die Ausstrahlung bestimmter Frauensportarten still und leise aus dem kuwaitischen Fernsehen verbannt. Grund ist der Aufschrei eines prominenten konservativen Islamisten und Parlamentsabgeordneten im Land. Weibliches Beachvolleyball, Turmspringen und Synchron-Schwimmen war Scheich Walid Tabtabai schlichtweg zu sexy und zu unmoralisch. Derartiges könne den kuwaitischen Zuschauern keinesfalls zugemutet werden, argumentierte der Parlamentarier und forderte das kuwaitische Staatsfernsehen auf, derartige indezente Sportarten von der ansonsten sehr ausführlichen Olympiaberichterstattung zu streichen. Es gehe hier mehr um Sex als um Sport, mäkelte der konservative Scheich. „Derartige Disziplinen spiegeln westliche Werte wider, die dem weiblichen Körper nicht die notwendige Ehre und den notwendigen Schutz gewähren, so wie es vom Islam verlangt wird.“
Tabtabai steht übrigens stets in der vordersten Front, wenn es darum geht, die kuwaitische Gesellschaft vor dem Schlimmsten zu bewahren. Erfolgreich hat er sein Land vor dem teuflischen Frauenwahlrecht beschützt und dafür gesorgt, dass diese sittenlosen, gemischt besuchten Musikkonzerte endlich verboten werden und der anstößige Valentinstag nicht mehr gefeiert werden darf. Mit engstirnigem Eifer boxte er einen Gesetzesentwurf durch, laut dem an kuwaitischen Hochschulen in Zukunft nur noch nach Geschlechtern getrennt unterrichtet werden darf.
Bei den Mädchen und Frauen im Kuwaiter „Mädchen-Sportverein“ erntet Tabtabais neuester Ausfall gegen den Frauensport erwartungsgemäß nur Augenrollen. Kuwaits einziger Sportverein für das weibliche Geschlecht ist so etwas wie die Antithese zu den konservativen Scheichs. Die Schreie der Taekwondo-Kämpferinnen dringen aus dem Inneren der kleinen Sporthalle, während nebenan die Fechterinnen still und ausdauernd ihre Gleichgewichtsübungen betreiben. Draußen knallen die Tennisbälle durch den ruhigen Abend, die einzige Tageszeit, in der es die Hitze zulässt, auch im unklimatisierten Freien aktiv zu sein.
„Wenn es Tabtabai nicht passt, dann soll er doch einfach den Fernseher ausschalten“, erklärt trotzig die Basketballspielerin Nadia Al-Bachit, die auch im Vorstand des Sportvereins sitzt. Die Taekwondo-Lehrerin Iman stimmt ihr zu: „Die Leute sollten sich auf das konzentrieren, was die Frauen nach jahrelangem Training leisten, und nicht auf ihren Körper“, sagt die Trägerin des schwarzen Gürtels – und eines gleichfarbigen Kopftuchs.
Besonders ungerecht finden die Taekwondo-Kämpferinnen, von denen einige der Nationalmannschaft angehören, dass ein kuwaitischer männlicher Taekwondo-Kollege sein Land bei den olympischen Spielen in Sydney vertreten durfte, während sie zu Hause bleiben mussten. Die kuwaitischen Taekwondo-Frauen hatten auf internationalen Wettbewerben stets besser abgeschnitten als ihre männlichen Mitkämpfer. Bei einem letztjährigen Wettkampf im Iran errangen sie sogar gleich die ersten drei Plätze.
„Vielleicht sind wir ja wenigstens bei den nächsten olympischen Spielen dabei“, hofft Iman. Ihre ebenfalls schwarzbegurtete Kämpferkollegin Rhadia ist da weniger optimistisch. „Wenn wir Glück haben, können unsere Töchter irgendwann einmal in Zukunft mit dabei sein“, wirft sie ein. Rhadia, die Tochter eines kuwaitischen Vaters und einer deutschen Mutter, trotzt ihrer frauensportfeindlichen Umgebung. Sie studiert Sport und versucht derzeit neben dem Taekwondo auch eine Ruderfrauschaft aufzubauen. Zu Tabtabai und den Seinen hat sie nur einen kurzen Kommentar: „Die spinnen doch mit ihrer Engstirnigkeit.“
Manche Mädchen fürchten, dass sich der konservative Trend im Land durch ein Erstarken der Islamisten auch direkt gegen sie wenden könnte. „Leute wie Tabtabai würden am liebsten unseren Sportverein schließen, wenn sie könnten. Sie wollen, dass wir nur zu Hause bleiben und Kinder kriegen“, sagt Sarah Askar, eine junge
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