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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Untersuchungen im Fall der „Beleidigung des Präsidenten der Republik“ abgeschlossen waren.
    Dank des seit 18 Jahren geltenden Notstandsgesetzes kam es nie zu einem Gerichtsprozess. Stattdessen wurde Mahmud noch einmal 15 Tage in Verwahrungshaft genommen. Nach Ablauf dieser Frist bekam er gleich noch einmal 15 Tage aufgebrummt. Schließlich kann man in Ägypten nicht so ohne Weiteres ungestraft „Nein zum Präsidenten“ sagen.
    Wahrscheinlich wäre Mahmud auf der Polizeistation langsam verrottet, wäre seine Familie nicht auf den Plan getreten. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sandte sie gleich ein Telegramm zur Unterstützung von Mubaraks vierter Amtsperiode, die im Oktober per Referendum beschlossen werden wird. Dem folgten Briefe an den obersten Staatsanwalt, den Parlamentssprecher, die Menschenrechtsorganisation und die Oppositionszeitungen. Eine von ihnen, die täglich erscheinende Zeitung Al Wafd , nahm sich des Falles genüsslich an und berichtete fast täglich über den Hungerstreik, in den die Taifurs getreten waren.
    Schließlich erreichte der Fall das offene Ohr des Präsidenten. Der pfiff seinen übereifrigen Sicherheitsapparat zurück und verfügte persönlich die Freilassung des Bauernsohnes und eine Neubefassung mit dem Fall seines Vaters und dessen feudalen Gegenspielers.
    Mahmuds Heimkehr wurde vom ganzen Dorf gefeiert. Die Nachbarn machten ihm bis zum nächsten Morgen die Aufwartung. Der Hungerstreik fand mit einem bäuerlichen Festmahl sein glückliches Ende. Er habe nur seinem Vater helfen wollen und nie die Absicht gehabt, irgendeinen Verantwortlichen zu beleidigen, ließ Mahmud noch einmal verlauten. Er konnte sich kaum der Küsse und Umarmungen erwehren, und die Dorfbewohner stimmten einen Lobgesang an: „Gott ist groß – lang lebe Mubarak, der stets den Unterdrückten beisteht.“
    Der Obelisk des modernen Pharao
    (Kairo, den 7. November 1999)
    Ursprünglich dienten die Obelisken den alten Ägyptern als Kultobjekte zur Anbetung des Sonnengottes. Sie pflegten sie so aufzustellen, dass die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen genau auf die mit einer Gold-Silber-Legierung überzogene Spitze fielen. Die Pharaonen nutzten die Obelisken als eine Art Litfaßsäule, um für ihre historische Größe zu werben, und ließen sie mit allerlei Reliefs und Hieroglyphen schmücken. Schließlich sollte auch die Nachwelt über die Errungenschaften der jeweiligen Regentschaft nicht im Ungewissen bleiben.
    Gute Idee, dachte sich Maher Al-Guindi, der Gouverneur von Giza-Stadt, besser gesagt: der Ex-Gouverneur. Passend zum Beginn der vierten Amtszeit des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ließ er feierlich auf einem der Plätze seiner Stadt einen fünf Meter hohen, 1,5 Tonnen schweren Obelisken aufstellen. Das moderne Kunstwerk sollte in alter Tradition von den Errungenschaften des heutigen Ägypten künden, oder besser gesagt von denen des Präsidenten Mubarak, dessen übergroßes Bild das Objekt zierte. Kurzum: ein Monument der Huldigung für den gegenwärtigen Pharao. Mit besten Grüßen des Gouverneurs von Giza.
    Nun sind die Ägypter ja gerade seit dem letzten Präsidentschaftsreferendum, in dem Mubarak mit 94 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut für sechs Jahre im Amt bestätigt wurde, einiges an staatlich verordnetem Mubarak-Kitsch gewöhnt. Der Obelisk des Gouverneurs von Giza scheint allerdings der Halm gewesen zu sein, unter dem das Kamel dann endgültig zusammengebrochen ist. Die sprichwörtliche Geduld der Untertanen war ein Quäntchen zu sehr strapaziert worden.
    In der Presse tauchten erste Kolumnen auf, die die Regierung beschworen, ein nationales „Komitee für guten Geschmack“ zu gründen. Der Unterschied zwischen dem Obelisken des Gouverneurs von Giza und denen der alten Ägypter sei wie der Unterschied zwischen einem Eselskarren und einem Rolls Royce, hieß es bissig.
    Natürlich ging es in der Kontroverse nur um den Geschmack, über den sich bekanntermaßen streiten lässt. Das Prinzip der präsidialen Anbetung konnte ja wohl kaum in Frage gestellt werden. Am weitesten wagte sich der Kolumnist der ägyptischen Tageszeitung Al-Akhbar vor, als er fragte: „Was sollen wir den Touristen sagen, wenn sie fragen, welcher Pharao diesen Obelisken hat bauen lassen?“
    Und siehe da, der erste nationale Aufschrei gegen pharaonische Monumente der Gegenwart zeigte Wirkung. Ohne beim Gouverneur von Giza anzufragen, verordnete der Kulturminister die sofortige Entfernung des

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