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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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dunkel genug. Oder er sollte ersatzweise eine Seemannsmütze mit glänzendem Schirm tragen, dachte sie unfreundlich.
    »Ich habe es gehört. Der Fall ist abgeschlossen, korrekt?«
    »Wir haben den Täter. Wir suchen weiterhin nach dem Jungen.«
    »Nach Travis?«, fragte Royce überrascht. »Rchtig.«
    »Aber er ist tot, glauben Sie nicht?« »Nein.«
    »Oh.« Eine Pause. »Ich bedauere es wirklich«, sagte Royce. »Das ist das Schlimmste von allem. Dieser unschuldige Junge.«
    Dance registrierte, dass zumindest diese Reaktion ehrlich war.
    Sie sagte nichts.
    »Ich werde in ein oder zwei Tagen nach Sacramento zurückkehren«, erklärte Royce. »Sehen Sie, ich weiß, wir hatten einige Probleme... Nun ja, Meinungsverschiedenheiten. Ich möchte mich entschuldigen.«
    Das war anständig von ihm, aber sie blieb skeptisch. »Wir waren unterschiedlicher Ansicht«, sagte sie. »Ich nehme es Ihnen nicht übel. Nicht persönlich.«
    Aber beruflich, dachte sie. Ich war stinksauer, dass du mich hintergehen wolltest.
    »Es gab viel Druck aus Sacramento, wirklich viel. Ich habe mich von meinem Übereifer hinreißen lassen.« Er wandte den Kopf ab, teils aus Verlegenheit. Aber auch teils zur Irreführung; er hatte nämlich keineswegs so starke Gewissensbisse, bemerkte Dance. Doch sie hielt ihm zugute, dass er das Kriegsbeil begraben wollte. »Sie erleben so etwas nicht allzu oft, nicht wahr?«, führ er fort. »Dass Sie jemanden beschützen müssen, der so unbeliebt wie Chilton ist.« Er schien nicht mit einer Antwort zu rechnen und lachte leise auf. »Wissen Sie was? In gewisser Weise bewundere ich ihn sogar.«
    »Chilton?«
    Ein Nicken. »Ich teile kaum eine seiner Überzeugungen. Aber er hat Rückgrat bewiesen. Das findet man heutzutage nicht oft. Sogar angesichts einer Morddrohung ist er auf Kurs geblieben. Und wahrscheinlich macht er direkt weiter, meinen Sie nicht auch?«
    »Kann sein.« Sie verschwieg ihm die mögliche Einstellung des Chilton Report.
    Das ging weder sie noch Royce etwas an.
    »Wissen Sie, was ich gern tun würde? Mich auch bei ihm entschuldigen.«
    »Ach ja?«
    »Ich habe versucht, ihn zu Hause anzurufen, aber es ist niemand ans Telefon gegangen. Wissen Sie, wo er ist?«
    »Er und seine Familie fahren morgen zu ihrem Ferienhaus in Hollister und übernachten heute in einem Hotel. Ich weiß nicht, in welchem. Ihr Haus ist ein Tatort.«
    »Nun, ich kann ihm ja eine E-Mail in seinem Blog schreiben.«
    Sie bezweifelte, dass es je dazu kommen würde.
    Dann herrschte Schweigen. Zeit für meinen Abgang, dachte Dance. Sie nahm den letzten Keks, wickelte ihn in eine Serviette und stand auf. »Fahren Sie vorsichtig, Mr. Royce.«
    »Noch einmal: Es tut mir aufrichtig leid, Agent Dance. Ich freue mich, in Zukunft wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
    Ihre kinesischen Kenntnisse ließen sie mühelos durchschauen, dass diese letzte Äußerung zwei Lügen enthalten hatte.
     

Kapitel 38
    Jonathan Boling wirkte erfreut. Er kam quer durch die Eingangshalle des CBI auf Dance zu. Sie gab ihm einen Besucherausweis. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    »Der Laden hier hat mir schon gefehlt. Es hat sich angefühlt, als wäre ich gefeuert worden.«
    Sie lächelte. Mit ihrem Anruf in Santa Cruz hatte sie ihn bei der Benotung von Referaten aus einem seiner Ferienkurse gestört (und nicht etwa bei der von ihr erwarteten Vorbereitung auf eine Abendverabredung). Boling war mit dem größten Vergnügen bereit gewesen, den Stift aus der Hand zu legen und nach Monterey zurückzukehren.
    In ihrem Büro überreichte sie ihm seinen neuesten Auftrag: Greg Schaeffers Laptop. »Ich möchte unbedingt Travis finden - oder seinen Leichnam. Können Sie sich den Computer vornehmen und nach möglichen Verweisen auf Orte, Fahrtrichtungen oder Landkarten durchsuchen ... nach irgendwas in dieser Art?«
    »Sicher.« Er deutete auf den Toshiba. »Ist er durch ein Passwort geschützt?« »Diesmal nicht.« »Gut.«
    Er klappte den Deckel auf und fing an zu tippen. »Ich werde mir alle Dateien ansehen, auf die in den letzten beiden Wochen zugegriffen wurde. Klingt das vernünftig?«
    »Klar.«
    Dance bemühte sich, nicht schon wieder zu lächeln, als er sich begeistert vorbeugte. Seine Finger glitten über die Tasten, als wäre er ein Konzertpianist an seinem Instrument. Kurz darauf lehnte er sich zurück. »Tja, es sieht nicht so aus, als hätte er den Computer für sein Vorhaben hier ausgiebig genutzt, mal abgesehen von Nachforschungen in Blogs und

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