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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sagen, Sie haben mir zu diesem Thema die Augen geöffnet. Ich hatte keine Ahnung, dass jemand die Sache mit aller Macht durchdrücken will. Nachdem ich mir im Planungsamt des Bezirks die eingereichten Projektunterlagen angesehen habe, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass mir kaum jemals ein dermaßen konfuses Dokument untergekommen ist - und ich bin ein Anwalt, der häufig mit Umweltfragen zu tun hat. Ich glaube, um in dieser Angelegenheit eine Debatte mit stichhaltigen Argumenten führen zu können, brauchen wir deutlich mehr Transparenz.
     
    »Woher hat Travis gewusst, dass er hier sein würde?«, fragte Dance. »Die Gegend ist menschenleer.«
    »Das hier sind Joggingpfade«, sagte Boling. »Ich möchte wetten, Strickland hat in irgendeinem Forum oder Blog gepostet, dass er gern hier läuft.«
    Wir geben im Internet zu viele Informationen über uns preis. Viel zu viele.
    »Warum sollte der Junge ausgerechnet ihn töten?«, fragte O'Neil.
    Boling schien über etwas nachzudenken.
    »Was gibt's, Jon?«
    »Es ist nur so eine Idee, aber wissen Sie noch, dass Travis auf diese Computerspiele abfährt?«
    Dance erzählte O'Neil von den Online-Rollenspielen, die Travis spielte.
    »Ein Aspekt dieser Spiele ist die fortwährende Steigerung«, führte der Professor weiter aus. »Die Spielfigur entwickelt sich und wird immer besser, die Aufgaben wachsen. Man muss sich diesem Konzept fügen, sonst hat man keinen Erfolg. Falls Travis diesem klassischen Muster folgt, könnte er den Kreis seiner Opfer vergrößern. Am Anfang waren es Leute, die ihn direkt angegriffen haben. Nun hat er sich jemanden vorgenommen, der Chilton unterstützt, auch wenn er nichts mit dem Thread >Kreuze am Straßenrand< zu tun hat.«
    Boling betrachtete die Fleischstücke und Krallenspuren am Boden. »Das bedeutet einen exponentiellen Anstieg der Zahl möglicher Opfer. Damit befinden sich Dutzende von zusätzlichen Personen in Gefahr. Ich werde die Internetadressen von allen benötigen, die sich auch nur im Entferntesten positiv über Chiltons Beiträge geäußert haben.«
    Noch mehr entmutigende Neuigkeiten.
    »Wir werden uns nun die Leiche ansehen, Jon«, sagte Dance. »Sie sollten zurück zum Wagen gehen.«
    »Sicher.« Boling wirkte erleichtert, dass ihm dieser Teil des Jobs erspart blieb.
    Dance und O'Neil gingen durch die Dünen zu der Stelle, an der man den Toten gefunden hatte. »Wie läuft die Terroristen-Sache? Dieser Container-Fall?«
    Der Senior Deputy lachte humorlos auf. »Es geht voran. Der Heimatschutz hängt mit drin, das FBI, der Zoll, es ist eine wahre Freude. Wie heißt es doch gleich? Man erreicht das Niveau der eigenen Unglücklichkeit. Manchmal möchte ich gern wieder in einem Streifenwagen sitzen und Strafzettel verteilen.«
    »Es heißt >Unzulänglichkeit<. Und nein, du würdest es hassen, wieder Streife zu fahren.«
    »Stimmt.« Er hielt inne. »Was macht deine Mutter?«
    Schon wieder diese Frage. Dance wollte unbekümmert tun, aber dann fiel ihr ein, mit wem sie redete. Sie senkte ihre Stimme. »Michael, sie hat mich nicht angerufen. Als Pfister und das zweite Kreuz aufgetaucht sind, bin ich einfach aus dem Gerichtsgebäude abgehauen. Ich habe nicht mal mehr mit ihr gesprochen. Sie ist verletzt, das weiß ich.«
    »Du hast ihr einen Anwalt besorgt - einen der besten auf der ganzen Halbinsel. Und er hat sie freibekommen, richtig?«
    »Ja.«
    »Du hast alles getan, was du konntest. Mach dir keine Sorgen. Sie geht wahrscheinlich bewusst auf Abstand zu dir. Wegen dieses Falls.«
    »Kann sein.«
    Er sah sie prüfend an und lachte erneut. »Aber das glaubst du nicht. Du bist überzeugt, dass sie wütend auf dich ist. Dass sie glaubt, du hättest sie im Stich gelassen.«
    Dance erinnerte sich an Vorfälle aus ihrer Kindheit, bei denen ihre sonst so warmherzige Mutter auf eine Kränkung - und mochte sie auch nur eingebildet sein - mit Kälte und Distanziertheit reagiert hatte. Es war nur halb scherzhaft gemeint, wenn Dances Vater seine Frau bisweilen als »Feldwebel« bezeichnete.
    »Mütter und Töchter«, sinnierte O'Neil laut, als wüsste er genau, was Dance gedacht hatte.
    Als sie den Toten erreichten, nickte Dance den Männern der Coroner's Division zu, die soeben einen grünen Leichensack bereitlegten. Der Fotograf war gerade fertig geworden. Strickland lag auf dem Bauch, in einem blutigen Jogginganzug. Man hatte ihn von hinten erschossen. Eine Kugel in den Rücken, eine in den Kopf.
    »Und dann wäre da noch das hier.«

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