Alma Mater
ihrer Absätze auf dem glänzenden schwarzen Fußboden des Autohauses sandte eine Einladung aus. Hojo wiegte sich verführerisch auf den offenen halbhohen Riemchensandaletten.
Das geschwungene Empfangspult erinnerte Hojo an die Kommandobrücke eines Schlachtschiffs. Sie liebte es, ihren Posten einzunehmen. Da sie weit über Bodenhöhe saß, konnte sie auf die Verkäufer hinuntersehen und sich insgeheim über die leuchtenden kahlen Stellen auf ihren Köpfen lustig machen. Sie fühlte sich über alle erhaben.
Sie stieg zu ihrem Platz hinauf, nahm einen Drehbleistift und notierte Verkaufszahlen. Empfangsdame zu sein hatte seine Vorteile, einer davon war, daß es wenig Streß gab. Aber sie war nicht dumm. Sie wußte, Verkäufe waren Geld wert. Ihr Gehalt mochte wohl ein bißchen steigen, aber sie würde nie eine Provision einstreichen, wenn sie auf ihrem Hintern saß und den Laden überblickte. Still und heimlich befaßte sie sich mit dem Geschäft und den Produkten. Sie wollte der erste weibliche Autoverkäufer bei McKenna-Dodge/Toyota werden.
Die Eingangstür ging auf. Hojo schenkte Bunny und J.R. ein strahlendes Lächeln. Wie die meisten Frauen musterte sie unwillkürlich R. J. deren dezente Art sich zu kleiden perfekt zu ihr paßte. Hojo hing dem festen Glauben an, mehr sei mehr. Dennoch bewunderte sie R. J. da sie begriff, daß R. J. ihren Stil gefunden hatte und dabei blieb. Hojo sah sich noch als im Fortschritt begriffen, und mit fünfundzwanzig glaubte sie daran, daß sie Fortschritte machen konnte und würde.
»Guten Morgen, Mrs. McKenna, Mrs. Savedge.«
»Morgen, Hojo.« Bunny lächelte nicht, als sie zur Rückseite des erhöhten Empfangsbereiches ging und die drei Stufen hinaufstieg, die zu Hojo auf das Podest führten.
Hojo deckte ihre Papiere automatisch mit dem Unterarm zu. R. J. blieb unten stehen.
»Hojo, Sie haben Mignon Ohrlöcher gestochen, stimmt’s?« Bunny verschränkte die Arme.
»Mit einer Nadel und Eiswürfeln. Sie hat kein bißchen gejammert.« Hojo lächelte.
»Wie kamen Sie dazu, so etwas zu tun?« Bunny gefiel sich darin, gegenüber den Angestellten einen strengen Ton anzuschlagen, ob es ihnen paßte oder nicht.
»Sie hat mich darum gebeten.« In Hojos Amethyst-Ohrringen spiegelten sich die Lichter der Deckenschiene.
»Sie ist erst fünfzehn«, blaffte Bunny.
»Das hab ich nicht gewußt. Sie ist ein großes Mädchen.« Hojo ließ sich von Bunny nicht einschüchtern.
»Sie ist groß«, bestätigte R. J. »Hat sie nicht gesagt, warum sie wollte, daß Sie es machen? Die meisten Mädchen gehen doch wohl ins Einkaufszentrum, um sich die Ohren mit so einem Dingsda durchstechen zu lassen, ich weiß nicht, wie nennt man das, Pistole? Da hätte sie allerdings ihren Ausweis vorzeigen müssen, und das mag erklären, warum sie zu Ihnen kam.«
Hojo stand auf und beugte sich zu R. J. hinunter. »Mrs. Savedge, sie hat gesagt, daß ihr meine Ohrringe gefallen und daß sie die Ohren von Courtney in der Schule gesehen hat, deshalb wollte sie, daß ich es mache.«
Courtney, sechzehn Jahre alt, war eine Klasse über Mignon.
»Das zeugt von schlechtem Urteilsvermögen.« Bunny ließ die Arme sinken.
Hojo atmete ein, zählte bis drei und antwortete dann gelassen: »Ich wußte nicht, daß Mignon erst fünfzehn ist, und ich wußte nicht, daß Mrs. Savedge dagegen war, daß sie sich Ohrlöcher stechen läßt.«
»Bunny, die Erklärung genügt mir.« R. J. sah aus dem Fenster auf die neuen Transporter, die glänzten wie bunte Gummibärchen. »Hojo, wir haben Ihnen diese Fragen gestellt, um zu erfahren, ob Mignon mir die Wahrheit gesagt hat. Das hat sie.«
»Wie geht’s ihren Ohren?«, fragte Hojo eine Spur zu beflissen.
»Gut. Vic und ihre Freundin Chris haben ihr Goldstecker gekauft. Sie sieht wirklich niedlich aus. Ich wollte, daß sie wartet, bis sie sechzehn ist, das ist alles. Sie haben nichts Unrechtes getan. Mignon versteht es, die Leute um den Finger zu wickeln.«
»Sie ist der reinste Wirbelwind.« Hojo beugte sich weiter hinunter, ihre Brüste berührten die Pultplatte. »Vic ist so ruhig, und Mignon sprudelt nur so über.«
Bunny stieg wieder hinunter. »Bin gleich zurück, R. J.« Sie ging in Dons Büro, das voll gehängt war mit Fotografien von Bunny als Siegerin bei diversen Golfturnieren und von Don, der Seglerfische und Barrakudas in die Höhe hielt, die er alljährlich im Januar während seiner Flucht nach
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