Alma Mater
Crossing war, ließ sie es sich nicht anmerken.
Schließlich schickte Frank Mignon zum Lernen in ihr Zimmer. Er und R. J. hätten etwas mit Charly zu besprechen. Als sie R. J. die Neuigkeit erzählten, weinte sie, umarmte Charly und gab Frank einen Kuß. Sie sagte, sie sei glücklich, daß Vic einen so fabelhaften jungen Mann bekäme. Doch bei sich dachte sie, Vic sei so jung und die Welt so groß. Konnten sie nicht noch ein, zwei Jahre warten? Aber diese Gedanken behielt sie für sich. Schließlich hatte sie auch bereits mit zwanzig geheiratet. »Wie konntest du?« R. J. war so durcheinander, daß sie mit ihrem Geschirrtuch auf die Küchenanrichte schlug.
»Mom, so schlimm ist’s nun auch wieder nicht.« Vic sah ihrer Mutter ins Gesicht.
Die zwei Frauen standen am Spülbecken. Piper saß zwischen ihnen und beobachtete aufmerksam den Wortwechsel.
Draußen auf dem Rasen lagen Äste verstreut. Der Sturm, der in der Nacht in Surry Crossing gewütet hatte, brachte jetzt auf dem Atlantik Schiffe in Seenot. Da Charly am frühen Morgen zum William and Mary College zurückgekehrt war, hatte Vic ihn verpaßt.
»Die Menschen sind empfindlich in solchen Dingen, Victoria. Ein verehrtes Abbild wie das der Jungfrau Maria verkleiden, das tut man einfach nicht.«
»Es war alles ganz okay. Ihre Grillschürze war sauber, ihre Kochmütze makellos, und die Kochgeräte waren auch alle sauber. Das Outfit hätte dir gefallen.« Vics grüne Augen leuchteten auf, als sie die Statue beschrieb. »Sie sah aus wie eine von den Mädels. Ich hab sogar daran gedacht, ihre Kostümierung je nach Saison zu wechseln. Verstehst du, ein William-and-Mary-Sweatshirt zu Footballspielen, einen Wimpel, vielleicht einen Wickelrock und einen TriDeltaAnstecker für die Einführungspartys der Verbindungen.«
R. J. lachte. Sie konnte nicht anders. »Herzchen, die Jungfrau Maria würde Kappa Kappa Gamma angehören.«
»Ganz sicher.«
R. J. küßte ihre Tochter auf die Wange. »Na gut – nichts Schlimmes passiert, nehme ich an.«
»Ah, das ist noch nicht alles.«
R. J. straffte die Schultern. »Oh?«
»Der Pastor hat mich gesehn. Und dann ist er zum Dekan gegangen.« Sie hielt inne. »Um’s kurz zu machen, ich bin geflogen.«
»Was? O Vic, das darf nicht wahr sein.« R. J.s Bestürzung war greifbar. Piper leckte ihr die Hand.
»Ich hätte mich vielleicht mit Lügen herauswinden können, aber das erschien mir nicht richtig. Ich hab’s ja getan.«
»Aber es ist so eine unverhältnismäßig hohe Strafe.«
»Schon. Aber nach der Alpha-Tau-Sache meinen sie wohl hart durchgreifen zu müssen. Drum…« Sie zuckte mit den Achseln.
R. J. lehnte sich ans Spülbecken. »Das ist ja furchtbar. Dein Vater und ich gehen sofort hin. Wir sprechen mit dem Dekan. Wir sprechen mit dem Präsidenten, wenn’s sein muß. Du stehst so kurz vor dem Examen und…«
»Nicht, Mom, tut das bitte nicht.«
»Hör mal, junge Dame, im Staat Virginia gibt es nur zwei Abschlußzeugnisse, die was gelten, das vom William and Mary College und das von der Universität von Virginia in Charlottesville. Ich denke, daß wir dich da unterbringen können.«
»Nein. Ich komm schon klar. Wenn ich wechseln müßte, dann lieber auf ein technisches College.«
»Was? Wie kommst du denn auf die Idee?« R. J.s Gesicht färbte sich rot. »Als Nächstes erzählst du mir noch, du willst auf die Militärakademie!« R. J. setzte sich und legte den Kopf auf die Hände. »Was sagen wir bloß deinem Vater?«
»Die Wahrheit.« Vic stellte sich hinter ihre Mutter und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Natürlich sagen wir ihm die Wahrheit, aber verdammt noch mal, wie bringen wir’s ihm bei? Und Bunny. Herrgott, es wird in der ganzen Stadt herumgehen. Ich nehme an, Jinx weiß alles?«
»Ja.«
»Regina wird’s ihr aus der Nase ziehen. Wir könnten es ebenso gut in die Norfolk-Zeitung setzen.« Eine Spur Sarkasmus flackerte in R. J. auf.
»Ich hab keinen Mord begangen. Ich hab Marias Barbecue gegründet, weiter nichts.«
R. J. drehte sich herum und sah ihrer Tochter ins Gesicht. »Ich nehme an, daher wissen wir, daß Maria Katholikin ist. Wäre sie Episkopalin, würde sie ein rosa-grünes Kleid mit einer dreireihigen Perlenkette und passenden Ohrringen tragen und einen Cocktail in der Hand halten.« Sie ließ ein leises Lachen hören. »Dabei fällt mir ein, du wirst mit dem Pastor darüber sprechen
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