Almas Baby
in ihren Armen.
„Kann der Balg nicht aufhören zu schreien?“, fragte Jasmin aggressiv und begann auf und ab zu tigern. Alma kannte das. Nicht mehr lange, und Jasmin würde einen Affen schieben. Hoffentlich hatte sie noch genug für einen Schuss.
„Das Baby hat Hunger. Ich bin seit gestern mit ihm unterwegs und hatte keine Gelegenheit, ein Fläschchen für die Kleine zu wärmen. Wir mussten Hals über Kopf von zu Hause fliehen. Es tut mir leid, Jasmin, aber auch meine Träume haben sich nicht erfüllt. Ich bin an den falschen Mann geraten. Erst war alles okay, aber seit das Baby auf der Welt ist, hat er sich total geändert. Ich habe Angst, dass er dem Kind etwas antut. Darum bin ich geflohen, sobald er zur Arbeit weg war. Aber nun weiß ich nicht, wo ich mit dem Kind bleiben soll. Und da dachte ich, dass ich ein paar Tage …“ Die Lügen kamen Alma erstaunlich leicht von den Lippen. Und Jasmin schluckte sie: „Er ist zur Arbeit, sagst du. Dann hat er doch bestimmt Geld. Hast du wenigstens vorher abkassiert?“ Ihre Hände zitterten. Sie schaffte es kaum, sich eine neue Zigarette anzuzünden. Alma wusste, dass die Aussicht auf Geld ihr die Tür öffnen würde, die ihr sonst verschlossen bliebe. „Ich habe meine EC-Karte dabei. Wir können später zum Geldautomaten gehen.“
Jasmin sprang auf sie zu und zerrte sie am Arm vom Stuhl hoch: „Los. Worauf warten wir noch? Leg das Balg so lange aufs Bett. Da kann ihm nichts passieren. Auf der Bornstraße gibt’s mehrere Geldautomaten. Da können wir uns bedienen, bevor dein Alter dir den Riegel vorschiebt.“
„Bitte“, bettelte Alma, „lass mich erst das Baby füttern. Es dauert doch nicht lange, ein bisschen heißes Wasser um ein Fläschchen warm zu machen.“
„Nö, im Prinzip nicht,“ grinste Jasmin hämisch. „Vorausgesetzt, niemand hat den Strom abgedreht. Nun guck nicht so wie ’ne Kuh, wenn’s donnert. So was kommt vor. Weißt du nicht mehr? Also muss dein Prinz oder deine Prinzessin schon noch ein bisschen warten, bis wir dem guten Onkel von den Stadtwerken das Geld für die Stromrechnung in die Hand drücken können, damit er den Saft wieder anstellt. Mach voran. Je schneller wir das erledigt haben, umso schneller geht alles wieder seinen geordneten Gang. Übrigens, der Schreihals macht mich krank.“
Zögernd legte Alma die weinende Marie auf Jasmins schmutziges Bett. Sie mochte gar nicht daran denken, wer dort schon was getrieben haben könnte. Sie hatte keine Wahl. Je schneller sie Jasmin mit Geld versorgte, umso sicherer konnte sie sich fühlen.
Der Geldautomat der Sparkasse war nicht weit entfernt. „Heb tausend Euro ab,“ drängte Jasmin. „Das geht, wenn man ein Konto bei der Bank hat. Dann sind wir erst einmal versorgt. Wer weiß, ob das beim nächsten Mal noch klappt.“
Wir. Alma wusste, was das bedeutete. Sie würde Jasmin den größten Teil des Geldes geben müssen. Aber die Stromrechnung würde davon ganz bestimmt nicht bezahlt werden. Sie bemühte sich, die PIN-Nummer unauffällig einzutippen, aber Verdeckungsmanöver wären gar nicht nötig gewesen. Jasmin trippelte zwar nervös vor dem Geldautomaten herum, zeigte aber kein Interesse für Tastatur und Display. Sie starrte wie gebannt auf den Ausgabeschlitz. Als dort das Geld ausgespuckt wurde, hatte sie die ganze Summe mit schnellem Griff an sich genommen. Sie drückte Alma ihren Schlüsselbund in die Hand und erklärte: „Danke, ich erledige alles. Geh du schon mal nach Hause. Das Kind sollte nicht so lange allein bleiben. Sonst macht es uns noch die Nachbarschaft rebellisch. Du brauchst dir übrigens keine Sorgen zu machen. Bei mir seid ihr sicher.“ Und weg war sie.
Sicher? Klar, so lange das Geld reichte. Verzweifelt machte Alma sich auf den Weg zu Jasmins Absteige. Anders konnte man das Loch wohl nicht bezeichnen, in dem sie vegetierte. Alma hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Sie schleppte sich die Treppe bis zur Wohnung hoch wie eine alte Frau. Eilig wollte sie die Tür aufschließen, denn drinnen schien alles ruhig. Zu ruhig. Aber es war gar nicht abgeschlossen. Krank vor Angst öffnete sie die Tür und wäre vor Schreck bald in Ohnmacht gefallen: Da saß er am Tisch - im Achsel-Shirt. Als erstes fielen ihr die unvermeidlichen Cowboystiefel in Schlangenleder auf. Luden-Outfit. Die Tattoos auf den muskulösen Oberarmen zur Betrachtung freigegeben. Die langen, schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. 30 Grad im Schatten und der Dreckskerl
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