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Almas Baby

Almas Baby

Titel: Almas Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Fuessmann
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Mithäftlinge und Leidensgenosse war.“
    Zarah räumte die Kaffeetassen vom Tisch. „Lassen Sie uns schlafen gehen. Morgen müssen wir uns um die Lebenden kümmern. Um ein Baby, das gerade erst zu leben anfangen will. Die Toten können wir nicht mehr retten. Sie erwarten von uns nur noch, zu verhindern, dass so etwas noch mal geschieht.“

Kapitel 12
    Ein schöner Tag. Warum fiel ihr gerade jetzt die Anfangszeile dieses blödsinnigen Schlagers ein? Nur, weil die aufgehende Sonne den Himmel in Richtung Osten leicht rosig färbte? Es war noch so früh. Eigentlich sogar noch Nacht. Alma hatte kaum geschlafen. Immer, wenn sie gerade eingeduselt war, hatte sie das Wimmern des Säuglings wieder geweckt. Einmal hielt sie in ihrer Verzweiflung die kleine Marie sogar hoch vor ihr Gesicht und brüllt das winzige Bündel an: „Kannst du nicht endlich still sein?“ Das Kind wuselte mit seinen winzigen Fäustchen in dem kleinen Gesicht herum. Alma wusste, dass man ein Baby nicht schütteln durfte, aber sie war kurz davor gewesen. Was sollte sie nur tun? Die Fertignahrung im Fläschchen war kalt. Vielleicht war das der Grund, warum Marie sich hartnäckig weigerte, irgendetwas zu sich zu nehmen. Sie musste doch trinken. Flüssigkeit war wichtig. So ein kleiner Körper kann schnell austrocknen. Es würde heiß werden, wenn die Sonne erst hoch am Himmel stand.
    Sie musste hier weg. Später am Tag würden viele Leute im Kleingarten sein. Vielleicht kamen sogar ihre Eltern. Wohin sollte sie nur gehen? Alma zermarterte sich den Kopf. Dann fiel ihr Jasmin ein. Sie hatte schon häufiger bei ihr übernachtet - damals, als ihr alles besser erschien als auf der Straße zu pennen. Aber eigentlich wollte sie doch nie wieder etwas mit einem Junkie zu tun haben. Jasmin würde sich niemals aus der Szene lösen. Aber sie hatte eine Wohnung in der Nordstadt, nahe beim Straßenstrich. Eine billige Absteige zwar, aber immerhin würde man ein Fläschchen wärmen können. Hier war man sicher. Niemand kümmerte sich um den anderen. Ob Jasmin sie aufnehmen würde? Sie würde sich eine relativ plausible Geschichte ausdenken müssen, denn die Wahrheit konnte sie auf keinen Fall erzählen. Kein Junkie wollte etwas mit der Polizei zu tun haben. Und eine Nutte, die illegal auf dem Straßenstrich anschaffte, schon gar nicht. Alma hatte sich niemals vorstellen können, noch einmal mit dem Milieu in Kontakt zu kommen. Aber nun gab es für sie keine andere Wahl. Sie packte das Baby in den Kinderwagen und schlich sich aus der Laube, wobei sie sorgfältig darauf achtete, keinerlei Spuren zu hinterlassen. Vorsichtig steuerte sie auf den Nebenausgang der Anlage zu. Marie schrie. Alma schaukelte heftig am Kinderwagen, aber auch das zeigte keinerlei Wirkung. Sie ging immer schneller. Panik machte sich breit, aber die Kleingartenanlage war noch leer. Kein Wunder, es war noch nicht einmal sechs Uhr. Alma beschloss, sich noch ein Weilchen im Fredenbaumpark aufzuhalten, denn so früh am Morgen würde eine junge Frau mit Kinderwagen auf der Straße sicherlich auffallen. Im Park war es so still, dass sie befürchtete, Maries Geschrei würde sämtliche Bewohner der Häuser im Anliegerbereich des Grüngürtels aufschrecken. Aus der Ferne joggte ein Mann auf sie zu. Alma sprang hastig von der Baumwurzel auf. Der Jogger näherte sich keuchend. Er kam auf sie zu und blieb kurz vor ihr stehen: „’Tschuldigung,“ schnaufte er, „können Sie mir wohl sagen, wie spät es ist?“
    Alma starrte ihn entsetzt an. Was wollte er von ihr? Sie konnte einfach nicht antworten. Auch er schaute jetzt verwundert. Sie riss sich zusammen und schaute auf ihre Armbanduhr: „6.25 Uhr.“
    „Oh, danke, dann wird es Zeit für mich. Schönen Tag noch.“ Und schon lief er weiter, ohne sich noch einmal umzuschauen. Alma atmete tief durch. Erst dann bemerkte sie, dass Marie aufgehört hatte zu schreien. Vorsichtig schob sie den Kinderwagen zurück auf den Hauptweg. Vom Fredenbaumpark bis zur Bornstraße war es ein gutes Stück. Vor allem, wenn man, wie Alma, Schleichwege benutzen musste. Die Strecke wurde immer gefährlicher, je weiter Alma in Richtung Nordstadt voran kam. Hier gab es besonders viele Polizeistreifen - zu Fuß wie motorisiert. Und wer weiß, vielleicht kontrollierten sie hier alle Frauen mit Kinderwagen.
    Aber dazu hatten sie offenbar keine Anweisung. Zwei Peterwagen fuhren an Alma vorbei. Der eine, als sie gerade die Leopoldstraße erreicht hatte, und kurz darauf wieder, als

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