Almuric
Flüstern war kaum hörbar: »Das war einer der Augenlosen – sie leben in der Dunkelheit der Stürme, und kein Mensch hat sie je zu Gesicht bekommen. Woher sie kommen, wohin sie ziehen, das weiß keiner. – Aber sieh, die Finsternis zerreißt.«
Das war das richtige Wort: Der alles verhüllende schwarze Samt zerriss in lange Streifen, und die Sonne brach durch. Nach wenigen Augenblicken war der Himmel wieder klar. Über dem Boden jedoch trieben noch schwarze Fetzen und Bänder, schwarze Schattenschlangen, die sich durch sonnenhelle Flecken wanden. So weit wir sahen, war die Ebene durchzogen und gestreift von den ausgefransten schwarzen Schattenbändern, die mitunter Tiere verbargen, die dann plötzlich wie aus dem Nichts hervorsprangen. Es war eine surrealistische Szene – ein Bild wie aus einem Traum, und schon begannen sich auch die Schattenreste aufzulösen, so schnell verblassend wie ein Traum.
Ein paar Schritte vor uns zerriss ein solches schwarzes Band, verschwand wie vom Sonnenlicht aufgesogen – und unvermutet sahen wir uns einem Mann gegenüber, den die Dunkelheit verborgen hatte. Er war genauso überrascht wie ich. Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Altha schrie: »Ein Thugraner!«, der Fremde zog blitzschnell sein Schwert und warf sich auf mich, und seine Waffe klirrte an meine, die ich glücklicherweise noch in der Hand hielt.
Die nächsten Sekunden sind chaotisch in meiner Erinnerung. Wilde Streiche, das Klirren von Stahl auf Stahl in wütender Parade, und dann drang mein Schwert auf einmal in seinen Körper, durchbohrte ihn unter dem Herzen, bis die Spitze aus dem Rücken ragte. Wie in Zeitlupe sank er rücklings ins Gras, und ich brauchte mein Schwert nur festzuhalten, dass die Klinge wieder freikam. Verblüfft starrte ich den Toten an; der Kampf war so schnell vorüber gewesen, dass es mir völlig unmöglich war, mich an Einzelheiten zu erinnern – vor allem, wie ich es zustande gebracht hatte, diesen erfahrenen Krieger mit der blanken Waffe zu besiegen, obwohl ich im Schwertkampf kaum Übung hatte. Instinkt allein musste meine Hand geführt haben.
Jetzt brach wildes Geschrei hinter mir los, und als ich herumfuhr, sah ich ein Dutzend haariger Krieger hinter den Felsen hervorschwärmen. In Sekundenschnelle hatten sie mich umringt, und ich war Mittelpunkt eines chaotischen Wirbels blitzender Schwerter. Ich weiß nicht, wie es mir gelang, mir die scharfen Klingen auch nur einen Augenblick vom Leibe zu halten, aber ich schaffte es und spürte mit Genugtuung, wie mein Schwert die parierende Schneide einer gegnerischen Waffe entlangklirrte und sich in die Schulter des Angreifers bohrte. Sekundenbruchteile danach duckte sich einer unter meine sausende Klinge und trieb seinen Speer durch meinen rechten Unterschenkel. Wütend vor Schmerz spaltete ich ihm den Schädel, und im gleichen Augenblick traf mich ein Gewehrkolben am Kopf. Irgendwie gelang es mir noch, den Schlag mit dem Arm abzuschwächen – er hätte mir sonst wohl die Hirnschale zerschmettert –, dann wurde es dunkel um mich.
Ich wachte mit dem Gefühl auf, in einem kleinen, sturmgeschaukelten Boot zu liegen. Als mein Kopf etwas klarer wurde, entdeckte ich, dass ich – an Händen und Füßen gefesselt – auf einer Bahre aus zwei Speerschäften getragen wurde. Zwei riesige Kerle trabten mit dieser Trage dahin und kümmerten sich nicht darum, dass mir fast die Zähne aus dem Kopf gerüttelt wurden. Ich konnte nur den Himmel sehen, den schwarzpelzigen Rücken des vorderen Trägers, und, wenn ich den Kopf zurücklegte – was meinem angeschlagenen Schädel nicht eben gut tat –, auch das Gesicht des hinteren Kriegers. Dieser bemerkte, dass ich die Augen offen hatte und knurrte seinem Kumpan etwas zu, worauf sie beide die Tragbahre einfach fallenließen. Der Aufprall machte mir den Kopf dröhnen, und von der Beinwunde her durchzuckte mich ein scheußlicher Schmerz.
»Logar!« bellte der eine. »Der Kerl ist zu sich gekommen! Wenn du ihn in Thugra haben willst, dann bring ihn auf die Füße – ich hab’ den Hundesohn jetzt lang genug getragen!«
Ich hörte Schritte, und dann tauchte ein bekanntes Gesicht in meinem Blickfeld auf – ein wildes, brutales Gesicht, von dessen hämisch verzogenem Mund eine breite rote Narbe übers Kinn verlief.
»Nun, Esau Cairn«, sagte die über mir aufragende Gestalt, »so treffen wir uns also wieder!«
Diese nahe liegende Feststellung schien mir keiner Antwort wert.
»Was denn«, höhnte er,
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