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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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schwitzte und war selbst blass. Man konnte ihm nicht
helfen, das hatte er sich gestern selbst eingebrockt. Das musste er nun zwar
nicht auslöffeln, zum Glück nicht, aber durchstehen.
    Mit Schreien ging das einfacher.
    »Ich bin auch Beamter. Wenn wir mit den Leuten so umgingen,
wären wir längst bei unserem Dienstherr.«
    »Wir sind keine Behörde.«
    Sie durften rein zum Arzt. Sowieso.

     
    *

     
    Sie erreichten eine Hütte, eine einsame Hütte.
Birne überredete sie zu einem Radler in der Sonne. Er spendierte. Sie saßen in
der Sonne. Birne schwitzte. Er entdeckte ein Schild, unter dem sie saßen und
Radler tranken: »Selbstverständlich können Sie ihre selbst mitgebrachten
Speisen und Getränke auf Ihrer selbst mitgebrachten Terrasse verzehren, nur
bitte nicht auf dieser.«
    »Spießer«, kommentierte Birne.
    »Ich find’s witzig«, meinte Alexa.
    »Hauptsache, sie können ein damisches Schild aufstellen.«
    »Ja, aber da könnten sie auch draufschreiben ›Essen
verboten‹.«
    »Das ist doch witzig.«
    »Ich find das hier besser. Weißt du, die hier oben
haben oft nicht mehr als das hier oben, und wenn jetzt jeder sein Zeug selbst
mitbringt, dann haben die gar nichts mehr. So haben sie wenigstens ein bisschen
ein Auskommen.«
    »Die hätten wahrscheinlich mehr Auskommen ohne die
blöden Schilder. Ohne die Schilder fänd ich sie cool,
mit sind sie Spießer für mich.«
    Sie konnten sich
nicht einigen. Es wurde empfindlich kalt trotz Sonne. Hier oben um die
Jahreszeit war die Sonne schwach. Birne zog sich seine Jacke wieder an. Sie
tranken ihr Radler schnell, um wegzukommen, so bald es ging. Das Radler rann
eiskalt durch ihre Kehlen.
    Nach wenigen 100
Metern wurde Birne wieder heiß, der Weg steiler und unwegiger .
Sie mussten nicht steigen, aber sich anstrengen. Alexa lief flott, Birne hielt
Schritt, nicht ganz mühelos. Anstrengend war das Reden. Alexa sagte zu wenig,
er konnte nicht nur zuhören, er musste selbst sprechen, um die Unterhaltung
aufrecht zu erhalten.
    »Und wie ist München so?«
    »Nett.«
    »Bloß nett oder so nett, dass man da auch wohnen kann?«, fragte
sie genauer.
    »Ich hab gern dort gelebt.«
    »Und wieso bist du dann weg?«
    »Selbst wenn eine Million da leben können, kann’s
sein, dass eine einzige Person das Fass vollmacht und man selbst weg muss,
damit es insgesamt wieder passt.«
    »Dann hätt doch die Person auch weg
können.«
    »Die hat das nicht so empfunden. Wenn’s nur nach der gegangen
wäre, hätte die Stadt München noch ein paar von dem Kaliber aufnehmen können.«
    »Dann hast du wegen ein bisschen Liebeskummer alles
hingeschmissen und bist hierher gekommen? Viel Pathos, lieber Birne.«
    »Das war nicht ein bisschen Liebeskummer und alles war nicht
viel. In Wirklichkeit hatte es mit Liebe nichts zu tun, es war etwas, was ich
für großes Gefühl gehalten habe und am Ende war es kalter Rauch und das hat
mich vertrieben. Verstehst du? Diese Erkenntnis.«
    »Was heißt: alles war nicht viel? Was hast du da gemacht in
München?«
    »Ich hab zuerst da studiert, und als ich irgendwie irgendwann
fertig damit war, wusste ich zuerst nichts mit dieser neuen Fertigkeit
anzufangen. Ich bin geblieben, wo ich war, und hab mir mit unbedeutenden Jobs
das bisschen Leben verdient, das ich führte.«
    »Dabei wirst du ja blöd. So ohne Ziel dahinzutreiben .
Ich müsste auf der Stelle sterben«, rief Alexa entsetzt aus.
    »Das Schönste am Verblöden ist ja, dass du selbst nichts
davon merkst.«
    »Und dann? Hast du dich verliebt?«
    »Im Gegenteil. Ich wollte wieder mal für irgendwen
irgendetwas empfinden, aber es ging nicht. Da war eine Frau, mit der hab ich es
probiert, bis wir beinahe daran glaubten, aber wir waren doch nur
Großstadtgänse – hin- und herflattern und denken, das sei jetzt die große Welt.
Das hab ich nicht mehr ausgehalten, verstehst du; jeder Tag ist eine neue Lüge,
noch größer als die gestrige.« Birne steigerte sich rein, er wurde rot. »Und als
ich mich mal richtig ausgeleert habe vor ihr, hat sie gar nicht verstanden, was
ich habe; da konnte ich nur noch brüllen und die Tür zuschlagen, und vier
Wochen später war ich hier, um mir zu beweisen, dass ich auch anders kann.
Jederzeit. Wenn ich will, kann ich den Dreck hinter mir lassen und die Lügen.«
Birne schnaufte schwer, nicht nur wegen des Anstiegs. Jetzt war es raus.
    »Zeigst du mir mal München, wie du München kennst, oder
fährst du da nicht

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