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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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Dorfjugendlichen und feiern ein Fest. Ich bitte dich.«
    »Und der Anruf?«
    »Die Alte war total hysterisch. Wenn wir die alle
ernst nehmen würden, kämen wir noch vor denen in die Klapse.«
    »Und das Blut?«
    »Sagen wir, die haben gegrillt gestern.«
    »Um die Jahreszeit. Sagen wir, du hast Angst?«
    »Lass uns abhauen.«
    Sie verschwanden. Birne blieb unbeweglich liegen. Nach zehn
Minuten schaute er auf. Da war kein Polizeiauto mehr zu sehen und auch sonst
keine Menschenseele. Er war vorerst allein und wankte mühsam dorthin, wo Tim
sie gestern hatte aussteigen lassen. Reifenspuren, sonst nichts. Sie waren
weggefahren, als er ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Man kann sich auf solche
Menschen nicht einlassen, dachte er sich. Baden-Württemberger und die aus dem
Osten, die deutschesten Deutschen, die, die dieses Land zu diesem Scheißhaufen
machen. Kapitalisten ohne Überzeugung. Keine Verantwortung jenseits des eigenen
Gartenzauns. Birne fand, das wäre im Moment eine gute Gelegenheit, in den
Untergrund zu gehen und als Terrorist die Republik von Arschgeigen freizubomben .
    Er entdeckte seinen Helm, den hatten sie aus dem Auto
geschmissen. Warum? Er hob ihn auf und berührte dabei etwas Warmes,
Gallertartiges, etwas aus Gummi – Birne hatte in ein Kondom gelangt, in ein
gebrauchtes, und nun klebte fremdes Sperma an seinen Fingern. Wütend kickte er
den Helm in einem hohen Bogen in den Wald. Er rieb sich wie ein Besessener
seine Hand am Waldboden dreckig, um den fremden Samen von seinem Finger zu
bringen. Dann machte er sich zornig auf den Rückweg. Er kam in den Ort, nichts
los, Autos, die sich in die Stadt schoben. Birne setzte sich an die
Bushaltestelle neben der Wirtschaft, wo sie Tim gestern getroffen hatten. Es
war ein ehemaliger Bauernhof. Jetzt im Tagesgrau sah er unappetitlich und
abweisend aus.
    Birne wartete 20 Minuten auf den nächsten Bus. Ein altes Weib
kam vier Minuten vor Abfahrt noch dazu und beobachtete ihn misstrauisch. Zwei
Minuten vorher kam eine rausgeschminkte Hausfrau mit
einem kleinen Hund unter dem Arm, grüßte die Alte und ignorierte Birne. Sie
setzte sich neben ihn auf die Wartebank. Der kleine Köter schnupperte an Birne
und kläffte ekelhaft. Sein Frauchen sagte: »Komm, gib Ruhe, Walli, mein
Schatz.« Birne hätte Walli den Kopf abbeißen müssen, um einigermaßen
ausgeglichen zu sein.
    Eine Fahrerin lenkte den Bus. Sie nickte die anderen beiden,
die einstiegen, freundlich durch, schielte aber währenddessen schon
misstrauisch auf Birne.
    »Was ist denn Ihnen passiert?«, fragte sie, als er an der
Reihe war. »Unfall gehabt?«
    »Nicht direkt.«
    »Einen Rausch, versteh schon. Wohin?«
    »Zentrum.«
    »2,50.«
    Birne bezahlte und ging nach hinten.
    »Hey!«, schrie die Fahrerin und bremste noch einmal abrupt
ab. »Nicht hinsetzen, Sie machen mir doch alles dreckig.«
    Birne nickte machtlos und blieb im praktisch leeren Bus
stehen. Er hielt sich an einer Stange wie eine Stripperin, die nicht glauben
kann, dass auch ihre Zeit einmal vorbei sein kann, und wurde von den zwei
anderen Passagieren angestarrt, als hätte er vorhin tatsächlich dem kleinen
Hund den Kopf abgebissen.
    Es war nichts los, Birne stand, es war ihm schweineelend. Am
liebsten hätte er gekotzt, er würgte, durch den Rückspiegel beobachtete ihn die
Busfahrerin misstrauisch. Sie bremste auf offener Strecke. Birne warf es zwei
Meter nach vorne, er fiel nicht hin. Sie fuhr an, bevor er das Gleichgewicht
wieder gefunden hatte. Er taumelte.
    »Es geht schon«, sagte er nach vorne.
    Ein böser Blick. »Wenn Sie das noch einmal versuchen, steigen
Sie aus.«
    »Was denn?«
    »Das wissen Sie ganz genau.«
    Die anderen beiden Insassen musterten ihn böse, sie bekamen
Angst.
    Birne hasste sie und die Frau, die ihn heimfuhr. Nie hatte er
jemandem was Übles gewollt, dafür wurde er am laufenden Band verprügelt,
rausgeschmissen, verurteilt. Wenn er jetzt mal zuschlug, dann hatten das die
anderen nur verdient, wenn auch der Ärger für ihn erst anfangen würde.
    Arschlöcher, alles Arschlöcher hier. Keine Zukunft für
niemanden hier. Das ist der Vorhof zur Hölle, die waren alle tot, sie hatten
nur noch nicht ihre Plätze unter der Erde eingenommen. Er wurde beschissen,
weil er der einzige Lebende war, der Einzige mit ein bisschen Spaß am Dasein.
    Die Fahrt dauerte ewig. Birne verlor immer mehr an Würde,
Lust und Elan, dafür gewann seine Abscheu vor den Menschen auf diesem

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