Alpengold (German Edition)
und etwas freundlicher.
„Ist soweit alles klar, oder haben Sie noch Fragen?“
Sandra und Jens verneinten.
„Möchten Sie einen Augenblick allein sein? Ich warte vor der Tür auf Sie, Herr Neubach.“
Damit verschwand der Kommissar und die Sekretärin folge ihm. In der Tür drehte sie sich noch einmal um und sagte: „Auch mir tut es leid. Leben Sie wohl.“
Sandra heulte nun richtig los. „Halt mich einen Moment fest, Jens.“ Sie streckte die Arme aus und Jens kletterte aus dem Bett und ging zu ihr. Sein Blick streifte die weiße Wand und das einzige Bild des Zimmers, das einen Berg mit schneebedeckter Spitze darstellte. Im Vordergrund spiegelte die glatte Wasseroberfläche den Berg und zeigte ihn auf den Kopf gestellt.
‚Vielleicht ist das der Monte Rosa. Scheißberg!‘, dachte er.
„Sie sind tot, hast du gehört?“
Er nickte, setzte sich auf ihr Bett und nahm Sandra in die Arme. „Ja, hab ich.“
„Wir sehen sie nie wieder, richtig?“
Er nickte wieder und dachte daran, Mark und Stefan doch gleich wiedersehen zu müssen, um sie zu identifizieren. Er würde nicht mit ihnen reden können, sie nicht lachen oder fluchen hören, weil sie tot waren. Tot!
„Und Tina, wo ist sie? Ist sie verschleppt? Lebt sie noch?“ Sandra weinte und tränkte sein Krankenhaushemd mit ihren Tränen.
„Ich weiß es nicht, Sandra, okay? Ich muss jetzt raus, zum Kommissar. Kommst du kurz allein klar?“ Er musste hier raus, sonst würde er auch losheulen. Außerdem wartete der Kommissar auf ihn.
„Klar.“
Sanft streichelte er ihr übers Haar, riss sich los und trat vor die Tür. Von der Sekretärin bekam er eine Decke um die Schultern gelegt. Sie entfernte sich, um im Polizeiwagen ihre Aussagen ausdrucken zu lassen, die sie noch unterschreiben mussten.
„Kommen Sie bitte“, der Kommissar setzte sich in Bewegung.
Sie gingen einen hellen Gang entlang, an dessen Ende sie ein Arzt vor dem Fahrstuhl erwartete, der sie nach unten in die Kühlräume bringen würde. Zwei Schwestern begegneten ihnen und ein Patient lief mit einem Rollator über den Gang. Alle schauten ihn freundlich und interessiert an. Sein und Sandras Schicksal hatte sich im ganzen Krankenhaus herumgesprochen.
„Wir müssen nicht weit, nur in den Keller“, sagte der Kommissar. „Wie geht es Frau Keller?“
„San- Frau Keller geht es okay, sie weint, aber sie wird es schaffen.“
‚Wir gehen in den Keller, ohne Frau Keller‘, ging es Jens durch den Kopf. Immer wieder, als wollte sein Verstand von dem ablenken, was gleich auf ihn zukam. ‚Wir gehen in den Keller, ohne Frau Keller. Werde ich verrückt?‘, fragte er sich. Die Situation war aber auch zum Durchdrehen. Sie waren durch den Wald gehetzt, einen Abhang herabgestürzt, hatten stundenlang in einer kleinen Höhle ausgeharrt und waren am Ende doch beinahe erschossen worden. Schwebten sie eigentlich noch in Gefahr? Vom Killer hatte der Kommissar nichts gesagt, mit Sicherheit lief der Kerl noch frei herum. Er hatte keinen Beamten auf dem Gang bemerkt, wurde ihr Zimmer nicht bewacht? Was, wenn der Mörder jetzt, während Sandra allein in dem Raum lag, sich einschlich und ihr ein Kissen aufs Gesicht drückte und ...
‚Verdammt, reiß dich zusammen‘, schalt er sich. ‚Das ist hier kein Film und wenn wir in Gefahr wären, hätte der Kommissar was gesagt und veranlasst, dass Polizisten uns beschützen. Beruhige dich.‘
Nur Sekunden später fragte er aber doch den Kommissar: „Sagen Sie, sind wir in Gefahr? Meinen Sie, der Mörder und Entführer ist weiter hinter uns her? Wie sehen Sie das?" Gespannt erwartete er die Antwort.
„Ich denke nicht, dass Sie in Gefahr sind, Herr Neubach. Das gilt natürlich auch für Frau Keller. Wir haben eine Fahndung eingeleitet. Leider liegt uns keine Personenbeschreibung des Schützen vor, aber ich denke, solange Sie hier im Krankenhaus unter Menschen bleiben, sind Sie sicher. Sie sollten nur nicht allein in den Wald oder in die Berge gehen, aber das kommt ja nicht infrage. Morgen fahren Sie zurück nach Deutschland und ich glaube nicht, dass der Täter Ihnen folgen wird.“
In der Pathologie kam sich Jens doch wie im Film vor. Zwei riesige Schubladen wurden aufgezogen und der Arzt zeigte ihnen erst Mark, dann Stefan. Jens nickte jeweils und bestätigte damit, die Körper zu erkennen. Ein Kloß saß ihm im Hals und hinderte ihn am Reden. Krampfhaft schluckte er mehrmals und Tränen schossen in seine Augen. Mitfühlend legte der Polizeibeamte den Arm
Weitere Kostenlose Bücher