Alpengold (German Edition)
halben Stunde erreichten sie Saint-Tropez und hielten sich an die südwestliche, vom Meer entgegengesetzte Seite der Stadt, die als Halbinsel von drei Seiten von Wasser umgeben war. In der Stadt herrschte reger Verkehr, Scharen von Touristen pilgerten die Straßen entlang, an denen sich meist ein Restaurant an das andere drängte, unterbrochen von Hotels und Pensionen. Sie fragten sich mühsam zum Hotel und zur Route des Marres durch, die am Stadtrand lag. Mit Englisch oder Deutsch kamen sie hier nicht weit und nur Chris konnte ein wenig Französisch verstehen und halbwegs sprechen. Das Problem war, dass niemand das Hotel kannte und die Straße ebenso unbekannt zu sein schien. Je weiter sie fuhren, desto schlimmer wurde die Gegend. Grau wurde die vorherrschende Farbe und die Straße schien zeigen zu wollen, wie viele Löcher pro Meter möglich waren. Erst in unmittelbarer Nähe, als sie das Ziel schon fast allein gefunden hatten, wies ihnen eine abgerissene Gestalt in stinkenden Lumpen den restlichen Weg und hielt gleich die Hand für ein Trinkgeld auf. Chris beeilte sich, weiter zu fahren. Das Hotel Soleil befand sich in einer heruntergekommenen, zwielichtigen, verdreckten Ecke der Stadt. Müll lag auf der Straße, viele Häuser waren halb zerfallen und standen leer, ausgeschlachtete Autowracks zierten den Straßenrand. Es fehlten nur noch Ratten, die zwischen Mülltonnen umherwuselten und nachts Menschen anfielen, aber in der Nacht traf man hier sicher eher menschliche Ratten an.
„Nette Gegend“, murmelte Chris, der seinen Golf langsam voranrollen ließ und sich aufmerksam umschaute. „Hier bleiben wir nicht länger und auf keinen Fall parke ich hier und lasse mein Auto allein.“
„Hier war bestimmt noch nie ein Tourist gewesen“, sagte Jens und musterte jedes leere Haus, als erwarte er, Gewehrläufe in den blinden Fensteröffnungen zu sehen. Schüsse oder Schreie hätten ihn weniger erstaunt, als ein Tourist mit vor der Brust baumelnder Kamera. „Die Mafia lässt grüßen. Wir laden Tina ein und dann nichts wie weg von hier!“
„Das sehe ich auch so“, murmelte Sandra mit banger Stimme. „Ist euch aufgefallen, dass keine Menschenseele zu sehen ist? Keine spielende Kinder, oh, was ist das?“
Sie zeigte nach vorn, wo ihnen ein völlig abgemagerter und struppiger Hund entgegen kam. Er schlug einen großen Bogen um das Auto und ließ es keinen Sekundenbruchteil aus den trüben Augen.
„Also, wenn ein paar Kerle mit Baseballschlägern auftauchen, gibst du Gas, Vollgas, kapiert?“ Sandra griff nach Chris’ Schulter und er nickte heftig.
Das Hotelgebäude erwies sich als zweistöckige Bruchbude mit abgeblättertem Putz. Die Farbe schien schon lange verwittert und abgeplatzt zu sein, das schmutzige Schild mit ‚Hotel‘ hing schief und alle Fenster waren grau vor Staub. Kein Auto fuhr in ihre Richtung oder kam ihnen entgegen, kein Mensch war zu sehen. Chris hielt vor dem Eingang an und sagte: „Ich hupe aber jetzt nicht!“
In diesem Moment ging die Tür auf und Tina erschien. Angespannt schaute sie zu ihnen herüber, hob die Hand und winkte kurz. Entschlossen zog sie die Tür hinter sich zu und kam zum Wagen. Aber sie hatte das Auto noch nicht erreicht, als die Eingangstür des Hotels sich wieder öffnete und ein Mann hinter ihr das Haus verließ. Groß und schlank, mit dunklem Haar und Dreitagebart wirkte er wie ein Südländer. Tina bemerkte ihn und zuckte heftig zusammen. Sie machte Anstalten, auf den Wagen zuzulaufen, bemerkte jedoch im gleichen Moment etwas in der Hand des Mannes und erstarrte.
Der Mann hielt den rechten Arm angewinkelt und eine Zeitung lag über Unterarm und Hand. Der Lauf einer Pistole zeigte auf den Golf und der Mann rief halblaut: „Alle raus, sofort. Und du komm her!“ Mit einem Blick zeigte er Tina, dass er sie meinte.
Eine Sekunde reagierte keiner der Drei im Auto und der Kerl, Tinas Vater, zischte gerade laut genug, dass sie es hören konnten: „Die Pistole ist echt und ich werde sie benutzen, wenn es sein muss. Also macht lieber, was ich sage. Raus aus dem Auto und rein in die gute Stube und drinnen schön die Hände hoch. Alle!“
„Pa-, Vater, was soll das?“ Tina sah ihn flehend an. Sie hob die Hände abwehrend hoch und Verzweiflung legte sich auf ihr Gesicht.
„Los, rein!“
Jens, Sandra und Chris ergaben sich ihrem Schicksal oder vielmehr der Gewalt und stiegen aus. Sandra murmelte unverständlich Worte und schüttelte leicht den Kopf. Von Chris kam
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