Alpengrollen: Kriminalroman
Und hier in Kitzbühel ist es wohl nicht anders. Die Leute haben Geld. Sie wollen lachen. Sie trinken und essen. Und um das Renommee geht es dabei natürlich auch. ›Mein Haus, mein Boot, mein Auto.‹ Und darum, wer die besten und die meisten Hasen abschleppt. Zumindest bei den Männern.«
Johanna verzog unter Schmerzen ihr Gesicht, während sie sich zu ihm setzte. »Wie sind wir überhaupt hierher gekommen?«, erkundigte sie sich.
»Mit dem Taxi.« Max hob kauend seine Tasse an den Mund und trank einen großen Schluck, um damit den letzten Rest seiner Marmeladensemmel hinunterzuspülen.
Maria kam an den Tisch, schenkte Johanna ein gerüttelt Maß braune Wunderbrühe in ein
großes Glas und reichte es ihr lächelnd, bevor sie gleich darauf wieder in ihre Küche zurückkehrte.
»Danke, Maria!«, rief ihr Johanna mit zittriger Stimme nach.
Sie leerte den geheimnisvollen Zaubertrank in einem Zug und verzog ihr Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. »So viel Alkohol und so viele hohle Sprüche«, murmelte sie dann. »Das würde ich keinen Tag länger aushalten. Und mein armer Kopf erst recht nicht.«
»Müsst ihr zwei ja auch nicht.«
»Stimmt, Max«, fuhr sie fort. »Ich muss nicht auf blöde Promipartys gehen. Aber eins muss ich. Nach Hause. Und zwar schnell, fällt mir gerade ein. Wir fahren ja schon am Mittag. Und vorher muss ich noch packen. Könntest du mich zu meinem Hotel bringen?«
»Na klar. Kein Problem. Wenn meine Karre anspringt. Jetzt gleich?«
»Ja, bitte. Das wäre supernett von dir.«
»Na, dann komm«, forderte er sie auf und rief Maria ein kurzes »Bin gleich zurück!« zu.
Johanna umarmte die freundliche Wirtin zum Abschied und sauste ihm hinterher. Vorbei am längst wieder genesenen, in gewohnter Hochform dauerkläffenden Rex. Als sie zu Max in den Wagen stieg, gab sie ihm ein schnelles Bussi auf die inzwischen schon wieder leicht stachelige Backe.
»Entschuldige bitte meine übertriebene Anhänglichkeit gestern«, sagte sie dann. »Das war nicht in Ordnung. Aber ich war einfach zu blau. Ruth und ich haben schon am Nachmittag zu trinken angefangen. Ruth weniger, ich mehr. Bitte trag mir da nichts nach. Okay?«
Ihre Hände und ihre Stimme zitterten dabei wieder wie vorhin, als sie sich zu ihm gesetzt hatte. Sie muss ein sehr schlechtes Gewissen haben. Oder hat sie größere Probleme mit unserem kleinen Flirt, als ich bisher dachte? Ist sie am Ende verheiratet und hat mir bloß nichts davon gesagt? Wie auch immer. Ist ja sowieso vorbei. Nachher fährt sie heim.
»Aber natürlich trage ich dir nichts nach«, beruhigte er sie und lächelte sie offen, aber, wenn man ganz genau hinsah, nach wie vor auch ein kleines bisschen distanziert an.
Dann drehte er den Anlasser und staunte nicht schlecht. Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen. Was haben Autos und Frauen gemeinsam, Raintaler, fragte er sich und gab sich gleich selbst die Antwort. Beide sind ein Buch mit sieben Siegeln für einen einfachen Mann wie dich.
Wenig später standen sie vor Johannas Luxusunterkunft mit den großzügigen Balkonreihen aus dunkel gebeiztem Holz, die auch einmal seine Bleibe hätte werden sollen. Er stellte seinen R4 am Rand der schneefreien Auffahrt ab, ließ den Motor sicherheitshalber laufen, stieg mit aus und umarmte sie fest.
»Schön war es mit dir, schöne Johanna. Wunderschön«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wenn alles passt, komme ich dich mal besuchen, da oben im flachen, hohen Norden. Was meinst du?«
»Ich würde mich sehr freuen, Max. Hier, meine Karte. Ruf einfach vorher an. Du bist immer willkommen.« Sie küsste ihn zärtlich auf den Mund, lächelte ihn danach noch einmal fröhlich an, drehte sich schnell um, bevor er ihre Tränen sehen konnte, und strebte mit wackeligen Schritten dem Eingang des Hotels entgegen. Max sah ihr eine ganze Weile lang nach. Stand da, wie bestellt und nicht abgeholt. Dann stieg er langsam in sein gutes, altes Auto.
Das war es also mit Holland. Na gut. Ihre Handynummer habe ich, und ihre Adresse und die Privatnummer jetzt ebenfalls. Vielleicht fahre ich wirklich mal zu ihr hoch. Warum auch nicht? Wenn ich es genau betrachte, ist sie doch sehr nett. Gestern Abend hat sie halt einfach zu viel getrunken. Genau wie vorgestern. Genau wie ich. Da ist man eben schräg drauf. Denke ich zumindest mal. Was soll’s? Hat sie eigentlich meine Adresse? Wohl nicht. Es sei denn, ich hätte sie ihr gestern gegeben. Aber das wüsste ich. So blau war ich auch wieder nicht. Man wird
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