Alpengrollen: Kriminalroman
höchstens Moni fragen. Die wäre ideal mit ihrer Kampfkunst. Aber bis sie hier ist, war Franzi vielleicht auch schon hier. Nein. Ich geh selbst rein, Max. Ich beeile mich. Und dieser Glanzeder wird schon nicht da sein. Hoffe ich mal.« Annelieses Stimme zitterte zwar immer noch. Aber gleichzeitig klang sie zu allem entschlossen.
»Wie du willst, Annie. Dann viel Glück.«
»Das werde ich brauchen. Vielen Dank, Max. Wenn ich dich und Moni nicht hätte.«
Er legte auf. Sein vor Erregung und Wut hochroter Kopf leuchtete wie eine Verkehrsampel in die weiße Berglandschaft hinein. Und von diesem saublöden Gör lass ich mir meinen schönen Urlaub versauen, fluchte er innerlich vor sich hin. Unvorstellbar, dass sie ihre Mutter tatsächlich erpresst. Obwohl, möglich wäre es. Reichlich unwahrscheinlich, aber möglich. Geh, Schmarrn. Bestimmt hat sie von dem Geld wirklich nichts gewusst. Sicher hat ihr der Glanzeder einfach nur aufgetragen, einen Aktenkoffer am Bahnhof für ihn abzuholen. Und ihr gar nichts von der Erpressung erzählt. Das Risiko, dass sie dabei nicht mitmachen könnte, wäre ihm bestimmt zu hoch gewesen. Doch, doch. So muss es gewesen sein. Alles andere ist Blödsinn. Oder? Zu sicher soll man sich ja nie sein. Hoffentlich passiert Anneliese nichts. Riskant ist das ja schon, was sie da macht. Ja, leck mich doch am Arsch. Eigentlich ist mein Auftrag ja erledigt. Aber man kann einen Menschen auch nicht wie einen Computer an- und ausschalten. Logisch macht man sich Sorgen. Ich ruf sie in einer halben Stunde gleich noch mal an. Dann wird sie ja hoffentlich mit Sabine von da verschwunden sein. Herrschaftszeiten. Und jetzt ruf ich schnell Franzi an und erzähle ihm, dass sich das Mädchen inzwischen bei Anneliese gemeldet hätte. Und dass alles in Ordnung wäre. Keine Entführung. Mit etwas Glück haben sie es mit diesem Fridolin dann nicht ganz so eilig und ich verschaffe Annie und Sabine einen kleinen Vorsprung. Gutes Gefühl hab ich ja keins dabei. Aber was will man machen? Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Und sobald das Mädel wieder daheim bei seiner Mutter ist, bleibt das Handy ein für alle Mal aus. Zumindest in diesem Urlaub. Schluss mit dem Leben unter der Terrorherrschaft andauernder Erreichbarkeit. Ich bin doch kein Depp. Die Zeiten des Kriminaldauerdienstes sind vorbei. Und zwar schon lang. Und endgültig. Ja, Herrschaftszeiten noch einmal. Hoffentlich geht alles gut.
27
»Glanzeder. Da haben wir es ja. Also gut.« Anneliese drückte hastig den viereckigen Plastikklingelknopf neben der Tür im ersten Stock. Kurz darauf wurde ihr geöffnet.
»Mama?« Sabines Mund blieb offen stehen. Ihre Augen blickten leer durch ihre Mutter hindurch. Bis auf ihr erstes Wort schien sie die Sprache verloren zu haben. »Wie … kommst du denn … hierher? … Das … ist ja … voll witzig«, brachte sie dann schließlich doch noch sehr langsam heraus und kicherte albern.
»Witzig ist das ganz sicher nicht, Sabine. Ich mache mir seit Tagen Sorgen um dich, weil du dich nicht meldest. Und zu erreichen bist du auch nicht. Bist du eigentlich noch ganz bei Trost?« Anneliese schob hektisch die Tür auf, drängte sich an ihrer Tochter vorbei in den Flur der Wohnung und blieb neben ihr stehen. Aus dem Zimmer gleich links von ihnen kam ein weiteres Mädchen. Sie mochte etwa 20 Jahre alt sein. Das ganze Gesicht voller Piercings, wilde Punkerfrisur, Schottenrock und Springerstiefel. Ihr Blick ließ eindeutig darauf schließen, dass sie
sich momentan nicht im selben Raum-Zeit-Kontinuum bewegte wie der Rest der Welt.
»Hey, Bine. Wer is’n das?«
»Eine Freundin. Geh schon mal vor, Anna. Ich komm gleich wieder zu dir rein.«
»Okay.« Die pummelige Punkerin drehte sich um und marschierte wie ein hirnloser Roboter dahin zurück, wo sie gerade hergekommen war.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Sabine«, zischte Anneliese, sobald sie verschwunden war. Sie packte ihre Tochter bei den Schultern und schüttelte sie. »Die Polizei kann jeden Moment hier sein. Sie sind auf der Jagd nach diesem Fridolin Glanzeder, weil sie denken, der hätte dich entführt. Und weil er unseren Franzi niedergeschlagen hat. Wenn du also in deinem benebelten Zustand nicht mit aufs Revier gehen willst, um ein paar unangenehme Fragen zu beantworten, dann holst du ganz schnell den Aktenkoffer und …«
»Woher weißt du …«
»Unwichtig. Hör mir zu, verdammt!« Anneliese schüttelte sie noch einmal. »Du holst jetzt sofort den Koffer
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