Alphacode Höhenflug
man um diese Zeit ohne Eintrittskarte eingelassen wurde. Gorong würde seine Vorkehrungen getroffen haben.
Ich trat zwischen die Säulen, die den Quergang begrenzten. Ein Flügel des großen Holztores stand offen. Der Vorraum schien nicht erleuchtet zu sein, aber das störte mich nicht. Gorong hatte sicher einkalkuliert, daß ich bei Dunkelheit sehen könnte.
Niemand war in der Nähe. Wahrscheinlich hatte Gorong alle weggeschickt, die um diese Zeit im Theater zu tun hatten.
Ich ließ meine telepathischen Sinne vorauseilen, aber ich fand keine menschlichen IV-Impulse in der unmittelbaren Umgebung.
Durch das halbgeöffnete Tor erreichte ich die Vorhalle. Es war kühl. Seltsamerweise lagerte der Geruch nach Pferden in der Luft. Der Boden der Halle bestand aus abgetretenen Dielen; an den Wänden im Hintergrund waren Motive alter chinesischer Schwerttänze aufgemalt. Auf der linken Seite führten zwei breite Treppen mit niedrigen Stufen um eine mächtige Säule zu den Rängen hinauf. Rechts von mir lagen die Eingänge zum Hauptzuschauersaal.
Obwohl die Tür geöffnet war, drangen von der Straße kaum Geräusche herein. Die dicken Steinmauern des Theaters dämpften den Lärm auf ein Mindestmaß.
›Warum meldest du dich nicht?‹ erkundigte sich Hannibal ungeduldig.
›Ich sehe mich um.‹
Ich war ärgerlich, daß er gerufen hatte, denn im ersten Augenblick hatte ich geglaubt, es wären Kinys Impulse. Andererseits konnte ich ihn verstehen.
Ich wartete, daß irgend etwas geschah.
›Rechts an der Garderobe vorbei!‹ Die Anweisung stammte von Kiny.
Langsam ging ich weiter. Meine Kehle war wie ausgetrocknet. Das Schlucken bereitete mir Beschwerden. Mein Atem erschien mir übermäßig laut.
An einem der Gestelle hinter der Garderobentheke war eine Jacke hängengeblieben, ein einsamer Farbtupfer in diesem Wald metallener Gebilde. Mit der rechten Hand strich ich behutsam über die Theke.
Am Ende der Garderobe stieß ich auf eine weiße, feuerfeste Tür. Sie trug chinesische Schriftzeichen, die darauf hinwiesen, daß hier nur den Mitarbeitern des Theaters der Zutritt erlaubt war.
›Der Eingang zur Hölle‹, dachte ich unwillkürlich.
Ich umfaßte den Öffner. Er lag wie ein Eisklumpen in meiner Hand.
›Kiny!‹ rief ich.
Die telepathische Stille hielt an.
Ich drehte den Öffner und zog die Tür auf.
Vor mir lag eine Treppe, die nach unten führte. Die Wände des Abgangs bestanden aus trockenem Lehm, aber Zusatzgeräte einer automatischen Feuerlöschanlage waren überall angebracht.
Ohne meine Nachtsichtigkeit hätte ich nichts gesehen.
Die Treppe führte in die Kellerräume unter der Bühne. Ich stieg sie hinab und erreichte das Kulissenlager.
Vor mir erstreckte sich ein riesiger Raum, angefüllt mit Bühnenaufbauten aller Art. Die Requisiten stammten zum Teil aus vergangenen Jahrzehnten, aber niemand war offenbar bisher auf den Gedanken gekommen, sie zu verschrotten.
Ich entdeckte künstliche Gebirge, auf Leinwand gemalte Landschaften, Puppen, Waffen aus Kunststoffmaterial und kleinere Utensilien. Trotz der großen Unordnung gab es sicher jemand, der sich hier zurechtfand und in Sekundenschnelle alles heraussuchte, was oben auf der Bühne benötigt wurde. Wenn ich an die vollautomatischen Bühnen in Amerika und Europa dachte, überkam mich etwas wie Wehmut. Im Keller des Volkstheaters von Peking wurde ein Stück Vergangenheit konserviert.
Plötzlich ertönte ein Knistern. Es war ein Geräusch, wie ich es bisher in meinem Leben nie gehört hatte. Die Luft schien mit elektrischer Energie geladen zu sein.
Waren das Geräusche, von denen
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