Alphacode Höhenflug
geschickt. Die ganz in Weiß gekleideten Europäer hatten Anstoß. Von uns aus gesehen spielten sie von links nach rechts.
»Wollen Sie, daß ich Sie mit den Spielern vertraut mache?« erkundigte sich Spenker höflich.
»Um Himmels willen!« winkte ich entsetzt ab. »Verschonen Sie mich damit.«
»Die Asiaten spielen nur mit zwei Sturmspitzen«, dozierte Spenker, der offenbar unter allen Umständen seine Sachkenntnis beweisen wolle. »Dafür haben sie zwei freie Leute hinten stehen und einen direkten Bewacher für Gunn.«
Den Namen Gunn hörte ich nicht zum erstenmal. Es war nicht der richtige Name des legendären Walisers, sondern man nannte ihn so, weil er in seinem Verein und in der Auswahlmannschaft Tore wie vom Fließband fabrizierte.
Der rote Lockenkopf des Hünen war nicht zu übersehen.
Ich beobachtete, daß der größte asiatische Abwehrspieler neben Gunn herlief. Die beiden bewegten sich anfangs wie synchron, aber nach sieben Minuten löste Gunn sich aus dieser ungewollten Umklammerung und trat einen Ball an die Querlatte, daß das Torgebälk erzitterte.
Die Zuschauer jubelten, während einer der asiatischen Abwehrspieler den abgeprallten Ball mit der Brust stoppte, ihn herabtropfen ließ und mit einem Querpaß auf eine der beiden Sturmspitzen spielte. Der Stürmer erlief den Ball, umspielte einen europäischen Verteidiger, dann den Libero und zum Schluß den Tormann.
Die Zuschauer mit den Helmen schrien jetzt »Tor«.
»Das gibt es doch nicht«, ächzte Spenker verzweifelt.
Die Asiaten kämpften nun um den Erhalt des knappen Vorsprungs. Die Mittel, derer sie sich dabei bedienten, waren alles andere als wählerisch. Das Publikum pfiff und johlte. Der Schiedsrichter bestrafte die Sünder mit Ermahnungen, Verwarnungen und gab in der vierzigsten Minute der ersten Halbzeit schließlich einen Foulelfmeter gegen die Asienauswahl.
Gunn griff sich den Ball und setzte ihn auf den ominösen Punkt.
Als er anlief, um den Ausgleich zu erzielen, geschah es!
Der Ball hob plötzlich ohne äußeres Zutun vom Rasen ab und stieg senkrecht in die Höhe. Im Stadion breitete sich entsetztes Schweigen aus. Die Zuschauer schienen zu spüren, daß sie nicht Zeuge einer kabarettistischen Einlage wurden, sondern einen dramatischen Vorgang erlebten.
Der Ball stieg rasch höher und geriet schließlich aus dem Strahlungsbereich des Flutlichts. Die Zuschauer konnten ihn jetzt nicht mehr erkennen, im Gegensatz zu Hannibal und mir. Wir sahen deutlich, daß der Ball hoch über dem Stadion seitwärts davonsauste, während ein anderer, etwa gleichgroßer Gegenstand an seiner Stelle erschien.
Ich sah nicht genau, um was es sich handelte, aber als das Gebilde auf den Platz herabsank, konnte ich es erkennen.
Es war ein Totenschädel!
*
Im Zuschauerblock hinter dem Tor, vor dem der Elfmeter ausgeführt werden sollte, klang ein Stöhnen auf, das sich über das gesamte Stadion fortpflanzte. Trotzdem blieben die Besucher auf ihren Plätzen.
Ich zog das winzige TV-Gerät aus der Tasche. Der Reporter schwieg, aber die Übertragung funktionierte einwandfrei. Man sah Gunn in Großaufnahme – und ein paar Schritte von ihm entfernt lag der Schädel auf dem Elfmeterpunkt.
»Gorong!« flüsterte Utan heiser.
In dem Moment lief Gunn an.
»Nein!« stieß Spenker hervor.
Gunn traf den Totenkopf so exakt, als hätte er den Ball ins Tor schießen sollen. Der Schädel zerplatzte unter dem gewaltigen Tritt und wurde in Dutzende von kleinen Knochensplittern verwandelt, die wie Geschosse durch die Luft rasten und sich in den Körper des asiatischen Torhüters bohrten.
Der Mann brach zusammen.
Gunn wich langsam vom Elfmeterpunkt zurück. Er schien nicht
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