Alphavampir
mächtiges Wesen, das nicht nur töten, sondern auch heilen konnte. Ein Pluspunkt für ihn, dennoch gehörte er zur dunklen Seite, das durfte sie niemals vergessen. Weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, versuchte sie, einen Scherz zu machen: «Du solltest umsatteln und Sanitäter werden.»
«Oder Arzt in der Nachtambulanz», warf Lupus ein und stellte das neue Röhrchen zu den anderen, er zitterte noch immer. «So jemanden wie dich können sie dort gut gebrauchen.»
Auf einmal krümmte er sich. Nanouk sprang auf und stützte ihn, aber sie kam sich hilflos wie nie zuvor in ihrem Leben vor.
Er hielt sich mit schmerzverzerrter Miene am Waschbecken fest und stöhnte. Krämpfe erschütterten seinen vom Krebs gezeichneten Körper. Zitternd drehte er den Hahn auf, schaufelte sich Wasser ins Gesicht und trank einige Schlucke, die er sofort wieder ausspie.
Sein Speichel war gerötet. Er spuckte Blut. Nanouk war zutiefst erschüttert. Schockiert wusste sie nicht, was sie sagen oder wie sie ihm helfen konnte. Wo war die Stärke von Lupus’ Werwolf? Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass das Pankreaskarzinom schon so viel von seiner übernatürlichen Kraft aufgefressen hatte. Nun tat das Virus sein Übriges. Gegen zwei Gegner kam sein Körper nicht an. Trotz allen Lebenswillens.
«Lasst mich allein. Bitte. Geht», bat Lupus eindringlich und ließ sich auf den Toilettendeckel fallen, «bevor Elise mich so sieht.»
Kristobal zog Nanouk aus dem WC, denn sie war unfähig, sich von selbst zu bewegen. Während er sie ins Wohnzimmer führte, hörten sie Geklapper aus der Küche. Elise musste die Spülmaschine ausräumen.
Das ist gut, dachte Nanouk, so ist sie wenigstens beschäftigt und bekommt nichts von Lupus’ Anfall mit.
Im Wohnzimmer lehnte sie sich gegen das altmodische Buffet, dessen Scheiben mit Häkeldecken verhangen waren. Auf der Anrichte reihten sich Bilder auf. Nanouk nahm ein eingerahmtes Foto, das Theodore und Elise beim Angeln am Ship Creek zeigte, der mitten durch Anchorage führte und zur Leichzeit der Lachse sogar Grizzlys anlockte.
«Sie ist die Liebe seines Lebens.» Nanouks Augen wurden feucht. «Wegen ihr hat er sich infizieren lassen, um den Krebs zu überlisten und seine Lebenszeit zu verlängern.»
Kristobal legte den Arm um ihre Hüften. «Du hast ihn gebissen, habe ich recht?»
«Woher weißt du das?» Sie nickte und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. «Theo ... Dr. Theodore Brass war der Arzt des Rudels. Als er mich bat, sein Leben zu verlängern, konnte ich nicht anders. Ich musste ihm diesen Wunsch erfüllen, denn er war nicht so egoistisch wie ... egal, jedenfalls tat er alles immer nur für Elise.»
Nanouk nahm ein anderes Foto zur Hand. Es zeigte ihn inmitten einer Familie. Damals war er noch braunhaarig und sein Gesicht noch rund gewesen. Er lächelte und hatte seinen Arm um ein blondes Mädchen gelegt, das zwar noch Affenschaukeln trug, aber ein kleiner Busen wölbte bereits ihr Sommerkleid.
Als Elise mit einem Tablett hereinkam, auf dem eine Thermoskanne und drei Tassen standen, blinzelte Nanouk ihre Tränen rasch weg.
Die ältere Frau stellte das Tablett auf den Couchtisch. «Ich habe Kaffee gemacht, denn ich wusste nicht...» Achselzuckend sah sie Kristobal an. Dann bemerkte sie das Foto in Nanouks Hand, kam zu ihnen und betrachtete es. Lächelnd tippte sie darauf. «Das ist bestimmt an die zwanzig Jahre her. Eugene, Theos Bruder, hat das Foto damals im Alameda County gemacht. Es war Sunbeams Firmung. Ich hatte leider nicht freibekommen.» Sie überspielte die Ausrede, indem sie fragte: «Ist Theo schon wieder im Bad?»
Während sie das Wohnzimmer verließ und den Duft von Rosenwasser hinterließ, murmelte sie: «Dieser Magen-Darm-Infekt muss teuflisch sein, wenn er sogar Werwölfe befällt.»
«Seine Eltern leben in Berkeley. Sie haben ihn nie in Alaska besucht, weil sie glauben, dass Elise ihren Sohn davon abgehalten hat, die Arztpraxis seines Vaters zu übernehmen, aber das stimmt nicht.» Liebevoll strich Nanouk über den Bilderrahmen, der aussah wie eine Miniaturstaffelei. «Theo und Elise lernten sich auf der University of California kennen. Nach dem Studium war das Heimweh so stark, dass sie nach Anchorage zurückkehrte. Sie hielt es in Kalifornien einfach nicht aus, es war zu anders. Elise konnte nicht ohne Alaska sein und Theo nicht ohne Elise, also war klar für ihn, dass er ihr folgte. Er liebt sie mehr als sein eigenes Leben, das hat er mir mehr als einmal
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