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Alphavampir

Titel: Alphavampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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zusammen und schaute nach oben. Eine Weile stand er einfach nur da und legte seinen Kopf immer wieder schräg wie ein Geier. Dann ging er weiter.
    Nanouk fluchte. Hatte er sie nicht gesehen? Vermutlich nicht.
    Fünf Etagen unter ihr rannte Jerkins hinter Nubilus her und Rafaela hinter Jerkins. «Was zur Hölle spielen die denn?» Die drei tauchten in einer Gasse unter. Nanouk hatte keine Chance, sich bemerkbar zu machen.
    Hinter ihr schepperte es. Sie drehte den Kopf und schaute über ihre Schulter zur Tür. Der Schrank wackelte gefährlich. Er musste durch Montalbáns gewaltigen Aufprall nach vorne und wieder zurückgekippt sein. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Spind umfiel. Nanouk nahm selbst über die Entfernung wahr, dass der Skua vor Zorn immer mehr der Raserei verfiel. Sie wappnete sich für einen Kampf!
    Schritte waren auf dem gegenüberliegenden Dach zu hören. Sie konnte es kaum glauben, als Kristobal bis an den Rand ging und ungeduldig seine Arme ausbreitete. «Worauf wartest du? Du musst springen.»
    «Das ist zu weit.» Nanouk warf einen Blick nach unten. Den Sturz würde sie nicht überleben.
    «Dein Wolf schafft es.»
    «Auch er nicht.»
    «Du musst mehr an ihn glauben.»
    «Das sagst du mir?»
    Es schepperte. Nanouk flog herum. Der Spind war umgekippt und auf das Waschbecken gefallen. Ihr kam es vor, als würde sich die Tür zum Treppenhaus in Zeitlupe öffnen. Montalbán! Der Weg war frei für ihn.
    «Halt den Mund und spring.» Hektisch winkte Kristobal sie zu sich. Doch er sah nicht sie an, sondern fixierte die Tür. Mit einem lauten Knall schwang diese wieder zu, bevor der Mexikaner ins Freie getreten war. «Mach endlich! Ich werde ihn nicht lang aufhalten können. Telekinese ist bei mir mehr ein Reflex, keine bewusste Kontrolle, zumindest noch nicht.»
    Ihr Körper bebte vor Aufregung, als sie Boots und Parka abstreifte und in die Schlucht zwischen den beiden Hälften des Hotels warf, damit sie später wenigstens etwas anzuziehen hatte. Das war nicht die alte Nanouk. Noch nie war sie so unsicher, so nervös und aufgelöst gewesen wie jetzt. Der Drang, zur Toilette zu gehen, meldete sich wieder. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle übergeben. Aber sie kämpfte den Virus mit jedem Schritt nieder, den sie sich vom Abgrund entfernte, um Anlauf zu holen.
    Es kostete sie immens viel Kraft, die Angst zu verdrängen. Als sie parallel zur Tür stand, nur getrennt von ihr durch den Haufen ausrangierter Möbel, klapperte die Tür bereits. Lange würde Kristobal sie nicht mehr geschlossen halten können. Montalbán hatte sogar schon die Messerklinge dazwischengestoßen, seine Fußspitze folgte, und die Tür stand einen Spalt breit offen, durch die sich ihre Blicke begegneten. Der Hass, der ihr entgegenschlug, war der Startschuss für sie.
    Nanouk nahm den Umschlag mit den Beweisfotos zwischen die Zähne und lief los.
    Ihre Timberwölfin musste nicht lange gebeten zu werden, sondern glitt wie selbstverständlich an die Oberfläche. Stück für Stück übernahm sie die Kontrolle. Nanouks menschlicher Körper begann sich zu verformen, aber so geschmeidig, als wäre sie aus Ton. Sie glitt sanft von einer Daseinsform in die andere. Ihre Kleidung zerriss wie ein Kokon. Ihr wuchs ein dreifarbiges Fell und es dauerte nicht lange und sie lief auf allen vieren. Andere Werwölfe quälten sich, weil sie sich innerlich gegen die Wandlung wehrten, aber für Nanouk war sie beinahe wie Sex. Es erregte sie, ihr zweites Ich zu zeigen, denn sie akzeptierte die Wölfin in ihr nicht nur, sondern sie liebte sie. Sie war nicht ein Teil von ihr, sie waren eins. Dadurch wurde das Gestaltwandeln zu einem fließenden Prozess, den sie so gut beherrschte, wie kein anderer Lykanthrop, den sie kannte.
    Sie war die einzige aus dem Rudel, die sich im Laufen verwandeln konnte.
    Als Nanouk am Rand des Dachs ankam und sich mit den Hinterpfoten abdrückte, vereinte sich die Kraft des Menschen mit der des Tieres. Alles, was sie sah, war Kristobal, der sie magisch anzog. Er war ihr Ziel. Bei ihm wollte sie sein. Wenn er glaubte, dass sie es schaffte, die Schlucht zu überspringen, dann glaubte sie es auch. Sie vollendete ihre Wandlung während des Fluges. Nur knapp erreichte sie das Dach des zweiten Hotelgebäudes, aber immerhin erreichte sie es. Doch sobald sie hinter dem Abgrund aufsetzte, rutschten ihre Pfoten auf dem nassen Boden aus, ihre Beine knickten ein und sie jaulte auf, brach sich jedoch nichts.
    «Schnell.»

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