Alphavampir
Begleitet von Montalbáns Gebrüll, der über die Möbel-Corona stolperte, lief Kristobal zur Tür und hielt sie auf.
Nanouk ignorierte ihre schmerzenden Glieder und jagte ins Treppenhaus. Erneut rutschte sie aus und schabte aufjaulend an der Zarge vorbei. Noch während sie die erste Treppe heruntersprang, verwandelte sie sich wieder zurück in einen Menschen, um sich nicht alle vier Beine zu brechen, denn für einen Wolf kam das Laufen mit nassen Pfoten auf Betonstufen dem Schliddern auf einer Eisfläche bei Menschen gleich.
Zusammengekauert hockte Nanouk am Ende der Treppe. Ihre Fuß- und Armgelenke taten weh und an ihrer Schulter war ein Stück Haut abgeschabt. Kristobal eilte zu ihr, zog seinen Mantel aus und legte ihn ihr über die Schultern.
«Beeindruckend. Aber du kannst jetzt den Umschlag aus dem Mund nehmen», sagte er amüsiert und nahm ihr die Fotos ab.
Siebzehn
Sie hatten es geschafft, hatten die Fotos, die USB-Festplatten und die Speicherkarten gestohlen und die Skua somit aller Beweise über die Existenz von Gestaltwandlern beraubt. Hoffentlich. Sicher konnten sie nicht sein. Gleichzeitig hatte sich Nanouk allerdings den Jägern als Werwolf geoutet. Sie kannten nun ihr Gesicht, wussten was sie wirklich war. Aber das Unheil war vorerst abgewendet!
Triumphierend lächelte Nanouk Kristobal an. Dann übergab sie sich.
Nun, da die Anspannung von ihr abfiel, fegte ein Krankheitsschub durch ihren Körper hindurch wie ein Blizzard. Halbnackt hockte sie im Treppenhaus des Hotels und zitterte, als wären es vierzig Grad unter null. Das Adrenalin, das beim Kampf freigesetzt worden war, hatte die Symptome des Virus’ unterdrückt, doch jetzt kehrten sie intensiver als zuvor zurück. Das Blut rauschte in ihren Ohren, kalter Schweiß rann ihren Rücken hinab und ihr Magen krampfte sich zur Größe einer Trockenpflaume zusammen.
Kristobal hob Nanouk hoch und trug sie zum Wagen. Elendig hing sie in seinen Armen. Jeder Schritt, den er machte, war wie ein Erdbeben für sie. Die Erschütterungen lösten Kopfschmerzen aus. Ihr Herz pochte unruhig, obwohl sie auf der Heimfahrt still auf dem Beifahrersitz lag, den Kopf auf Kristobals Schoß gebettet.
Viel schlimmer jedoch war die Hilflosigkeit – die machte sie wütend. So wütend, dass sie im Nostalgia Playhouse schon wieder die Kraft fand, sich von Kristobals Bett, auf das er sie gelegt hatte, aufzurappeln und zu schimpfen: «Warum hast du mich hierher und nicht nach Hause gebracht?»
«Weil ich nicht weiß, wo das ist», antwortete er trocken und entledigte sich seines Schals und seiner Handschuhe.
«Canis und Nubi hätten es dir sagen können.»
«Ich hatte sie weggeschickt», er zuckte mit den Achseln und setzte eine Unschuldsmiene auf, «ich konnte sie nicht mehr fragen.»
Ausreden! Das Bett machte Nanouk nervös. In ihrer Verfassung konnte sie Kristobal nichts entgegenhalten. Zu allem Übel wollte ihre Wölfin mit dem Alphavampir den gemeinsamen Sieg feiern.
Zum Teufel, er ist nicht dein Alpha, ermahnte Nanouk sie stumm.
Sie zog seinen Mantel enger um ihren Körper. Ansonsten trug sie nichts, außer ihren Boots, die ihre Freunde vor der Abfahrt eingesammelt hatten. Aber im Theater war es sowieso wieder brütend heiß.
Als Kristobal bedächtig auf sie zuschritt und sie von oben bis unten musterte, begann es zwischen ihren Schenkeln zu prickeln. «Willst du den Mantel nicht ausziehen? Dein Gesicht ist schon gerötet vor aufgestauter Wärme.»
«Das kommt nicht von der Zimmertemperatur.» Sondern von dem Verlangen, das ihre Timberwölfin verströmte.
Doch Kristobal missverstand. Seine Kiefer malten, bevor er zerknirscht fragte: «Dich hat das Virus erwischt, nicht wahr? Gib es zu.»
Sie schwieg. Nicht aus Trotz, sondern weil sie es nicht wahrhaben wollte.
«Ich hab dir schon einmal geschworen, deine Schwäche nicht auszunutzen. Das gilt auch jetzt.» Sein Handrücken streifte zärtlich ihre Wange.
Nanouk öffnete ihren Mund und schloss ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben.
«Verdammt!» Er ballte seine Hände zu Fäusten, als wäre das Virus ein Feind aus Fleisch und Blut. «Und ich trage Schuld daran. Indem ich dich verführt habe, habe ich das Unheil in dich hineingepflanzt. Es tut mir so leid!» Im ersten Moment troff seine Miene vor Mitleid und Verzweiflung, doch von einer Sekunde auf die andere wurde sein Gesichtsausdruck steinhart. «Ich werde die Skua zur Rede stellen, bis sie mir das Gegenmittel geben, das schwöre ich dir bei allem,
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