Alptraum in Pink
wurde eine Elektrode in der Form eines ganz dünnen Drahtes aus einer bestimmten Legierung in ein genau festgelegtes, tief sitzendes Gebiet im Gehirn der Patientin eingeführt, das man im weitesten Sinn als das Vergnügungszentrum definieren könnte. Die richtige Stelle war nach einer ganzen Reihe von Fehlversuchen ermittelt worden. Die Stärke des Elektrodensignals wurde dann an einem Drehstromaggregat so eingestellt, dass die höchstmögliche Erregung erzielt werden konnte. Dies hatte in der Tat ein verstärktes Glücksgefühl zur Folge, ein simultanes Nebeneinander aller körperlichen und seelischen Vergnügungsreize. Der Patientin wurden im Rahmen ihrer Fähigkeiten körperliche Aufgaben gestellt, während der Apparat so eingestellt war, dass bei Erledigung der Aufgabe ein Kontakt geschlossen wurde, der einen zehnsekündlichen Stromstoß auslöste. Man stellte fest, dass die Patientin, nachdem sie einmal einen solchen Kreislauf begonnen hatte, aus freien Stücken bis zur völligen Erschöpfung weitermachte. Mit dieser Vorgehensweise haben wir genauestens die Muskelentwicklung, die psychischen und physiologischen Begleiterscheinungen des Schlafes, die Ernährung, die Erscheinungsformen der Freude und anverwandte Gebiete untersucht.«
»Könnten wir die Patientin einmal sehen, Doktor?«, fragte Mulligan.
»Sie ruht gerade.«
»Doktor, ich kann mich bestimmt besser von dem Nutzen Ihrer Programme überzeugen, wenn ich ab und zu die Resultate in Augenschein nehmen darf. Gerade jetzt liegt übrigens eine Liste zur Beschaffung von Geräten auf meinem Schreibtisch, die noch genehmigt werden muss.«
Varn ging und sprach mit dem Mann vor der Tür. Nach wenigen Minuten wurde Doris Wrightson hereingebracht. Sie trug ein Kopftuch und ein graues baumwollenes Krankenhauskleid, das ihr offensichtlich zu klein war - weit in der Taille, aber zu knapp über Brust und Hüften. Sie bewegte sich bedächtig und geschmeidig, mit dem merkwürdigen Gang eines völlig durchtrainierten Athleten. Starke Muskelstränge gaben ihrem Kinn ein kantiges Aussehen. Schultern und Hals waren fest und schwer und füllten den Stoff des Kleides zum Bersten. In Ruhestellung wirkten ihre Arme und Beine weiblich rund und scheinbar weich, aber bei der leisesten Bewegung traten ihre Muskelpakete so deutlich hervor wie auf einer anatomischen Zeichnung. Zuerst konnte ich nicht sagen, woran sie mich erinnerte, dann fiel es mir ein: Sie war gebaut wie ein Zirkusmädchen, wie eine dieser harten, untersetzten, ruhigen, liebenswerten Trapezkünstlerinnen. Wie bei ihnen war Doris’ Taille schmal, ihr Bauch flach, und die Schenkel wirkten wie Granit, der mit einer dünnen, warmen Schaumgummischicht überzogen war. Ihre Brust war so entwickelt, dass selbst der hoch sitzende, füllige Busen muskulös wirkte. Das war keine Büroangestellte, die im Sitzen arbeitete. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemals an einer Schreibmaschine gesessen hatte. Sie sagte: »Hallo, Doktor. Hallo, Mr. Mulligan.« Dann trat sie zur Seite, starr und teilnahmslos wie ein folgsamer Hund. Obwohl sie sehr bleich war, hatte ihre Haut den feuchten Glanz perfekter Gesundheit, und das Weiße in ihren sanften braunen Augen schimmerte bläulich.
Varn sagte: »Sie hat jetzt den Punkt erreicht, wo sie an einem Apparat, der wie ein Rudergerät konstruiert ist, pro Minute sechshundertsechzig Meterkilopond Leistung bringt, sieben Tonnen in der Stunde. Diese Leistung kann sie acht Stunden lang aufrechterhalten, wenn man sie in zwei mal vier Stunden aufteilt. Unter diesen Bedingungen benötigt sie eine Nahrungsaufnahme von fünftausend Kalorien, damit ihr Gewicht stabil bleibt. Da wir ständig den erforderlichen Einsatz anheben, ändern wir die Bewegungsabläufe, damit sich bestimmte Muskelpartien nicht überentwickeln.«
»Wie fühlen Sie sich, Doris?«, fragte Mulligan.
»Ich fühle mich sehr gut, danke.«
»Alle übrigen physischen Probleme sind verschwunden«, sagte Varn. »Ihr Puls liegt im Ruhezustand normalerweise bei fünfzig.«
»Können Sie erläutern, wie sich ihre Gefühlswelt entwickelt hat?«
»Nur durch Rückschlüsse«, erklärte Varn. »Wie Sie sehen können, ist sie ruhig, freundlich und kooperativ. Zwischenmenschlicher Umgang und Beziehungen beunruhigen sie nicht mehr. Sie macht sich keine Sorgen mehr darüber, wie Leute auf sie reagieren. Sie ist völlig unbefangen. Ihr Wunsch, gefällig zu sein, beruht darauf, dass wir in der Lage sind, sie mit dem stimulierten
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