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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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weißen Gischt des Ozeans war es nicht mehr weit. Auf dem Weg dorthin kamen wir durch zahlreiche Dörfchen, in denen man uns mit scheelen Blicken nachglotzte, denn Automobile – und dazu noch von dieser Klasse – wurden hier, wie Perkins anmerkte, nur selten gesehen. Gegen Abend verschlechterte sich die Straße, und zu guter Letzt rumpelten wir über einen Feldweg dahin, so daß die Reifen unseres Kraftfahrzeugs riesige Staubschwaden aufwirbelten. Vor uns breitete sich ein gewaltiger, finsterer, drohend wirkender Tannenwald aus, der mir, als wir ihn durchquerten, kalt und unheimlich vorkam. Der Weg, der nach Ashton Manor führte, schien endlos zu sein. Als die Sonne sank, vernahm ich das heisere Krächzen von Raben. Doch als wir dann vor dem Herrenhaus standen, ergriff helle Freude von meinem Herzen Besitz.
    Ashton Manor war ein aus großen Quadern erbautes Haus mit ungewöhnlichen Umrissen und zahllosen Fenstern. Das Gebäude war drei Stockwerke hoch und verfügte über eine breite Freitreppe, die von einem halben Dutzend eindrucksvoller Säulen umgeben war. Darüber erhob sich eine zinnenbewehrte Terrasse. Mehrere Generationen schienen an dem Anwesen gebaut zu haben, denn ich sah sofort, daß die Architektur keine Einheitlichkeit aufwies. Die einst strengen Linien des ursprünglichen Baustils waren in vielfältiger Weise aufgebrochen worden; Giebeldächer wechselten mit Mansarden, kleine Fenster mit größeren, sorgsam gestaltete Simse mit völlig schmucklosen Kanten.
    Im großen und ganzen machte das Anwesen einen recht passablen Eindruck auf mich, aber ein architektonisch bewanderter Mensch hätte es mit Sicherheit als hybrides Unikum eingestuft. Alte Ulmen und Eichen umstanden das Haus und wölbten sich mit riesigen, weit ausgebreiteten Kronen wie eine schützende Hand über das Dach. Der Garten glich einem wildwachsendem Dschungel. Längs der Auffahrt zur Freitreppe wucherte zwei Meter hohes Brombeergestrüpp und ließ dem Automobil nur noch eine schmale Gasse frei. Die eisenbeschlagene Flügeltür wirkte wie der Eingang einer Festung, und als ich die Schlüssel zückte, die Robertson mir ausgehändigt hatte, konnte ich mich des seltsamen Eindrucks nicht erwehren, daß sich irgendwo hinter mir im Zwielicht – vielleicht zwischen den Bäumen – jemand verbarg und mich heimlich beobachtete.
    Unsinn.
    Ashton Manor verfügte über vierzig Zimmer, und dazu gehörten noch Neben- und Wirtschaftsgebäude. Perkins und ich entzündeten die mitgebrachten Laternen, durchquerten die große Eingangshalle, wanderten eine Weile durch Korridore und Zimmerfluchten und schauten uns um.
    Die wenigsten Räume waren bewohnbar, und im Geiste machte ich mir Notizen, welche ich in nächster Zeit renovieren lassen wollte. Was den Gesamtzustand von Ashton Manor anbetraf, hatte Robertson leicht übertrieben. Zwar waren die Tapeten in der Mehrzahl verrottet und hingen in Fetzen herab, auch schmückten dekorative Spinnennetze die Ecken, und mehreren Fenstern im dritten Stock fehlte das Glas; doch insgesamt empfand ich eher Zufriedenheit statt Verärgerung. Berücksichtigte man, daß zwanzig Jahre lang keines Menschen Fuß Ashton Manor betreten hatte, befand es sich in einem überraschend guten Zustand. War das Haus erst einmal gesäubert, renoviert und geputzt, dachte ich, hatte ich hier genau das Umfeld, das ich zur Erfüllung meines Berufes benötigte. Daß mein Entschluß, hierzubleiben und den Landsitz wieder bewohnbar zu machen, Ereignisse in Gang setzte, die mich in eine nie geahnte Richtung führen sollten, hätte ich mir nie träumen lassen.
    Ich war wirklich ahnungslos. Die ersten Probleme zeigten sich am nächsten Tag, als ich in der nahegelegenen Ortschaft Skelmerhe den Versuch unternahm, Hauspersonal zu engagieren. Da sich in unmittelbarer Umgebung des Ortes keinerlei Industrie angesiedelt hatte, ging ich davon aus, recht schnell einige Leute zu finden, die an einem Nebenverdienst Interesse verspürten. Sobald die Renovierungsarbeiten ihre Unterbringung ermöglichten, wollte ich ein halbes Dutzend Bedienstete einstellen, die sich um den verwilderten Garten und die Küche kümmern sollten.
    Als erstes suchte ich das Gespräch mit dem Wirt einer Taverne, die sich Harley’s Inn nannte, einem untersetzt-schwammigen, stark behaarten Mann, der Perkins und mir zu einem durchaus kulanten Preis zwei Zimmer zur Verfügung stellen wollte. Als ich in der Gaststube saß und eine Mahlzeit einnahm – Perkins bewachte indessen mit

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