Alraunes Todeskuß
störte.
Die Neugier siegte.
Die rechte Pfote hob sie kurz an. In diesem Moment wußte die Alraune, daß die Katze sie einer Prüfung unterziehen würde.
Ein kleiner Schlag nur, ein leises Platschen. Keine ausgefahrenen Krallen, noch nicht, das war erst beim nächsten Versuch der Fall, denn da kratzten sie über die linke Brust der winzigen Frau hinweg.
Und die schnappte zu.
Selbst die Katze, die wirklich schnell reagieren konnte, war diesmal nicht flink genug. Sehr kleine, aber ungemein starke Hände wühlten sich in ihr Fell, huschten weiter und umkrallten den Hals der Katze. Sie riß ihr Maul auf und schrie jämmerlich, doch in dieser Gegend kümmerte sich niemand um die Schreie eines Tieres.
Die klangen auch nur kurz auf, denn urplötzlich war die Zunge der Alraune erschienen und jagte wie ein gut gezielter Lanzenstoß in das offene Maul des Tieres.
Die Katze wollte beißen, was sie nicht richtig schaffte, denn sofort quoll die Zunge auf. Statt dessen schlug sie mit den Pfoten um sich und versuchte, ihre Feindin zu zerkratzen, was dieser überhaupt nichts ausmachte.
Etwas spritzte in das Maul der Katze.
Sie begleitete es mit einem Fauchen. Das Tier zuckte unter dem Griff, und seine Bewegungen erlahmten. Es erschlaffte, wurde aber nicht so schlapp, als daß es sich auf den Boden gelegt hätte, um einzuschlafen.
Die Alraune hatte die Katze losgelassen, die nun zitternd auf allen vieren stand und von der Alraune genau beobachtet wurde.
Bisher hatte sie die Wirkung ihrer magischen Säfte oder Alkine noch nicht in Verbindung mit einem Tier erlebt, und sie war gespannt, wie sich die Katze verhalten würde.
Noch tat sie nichts.
Sie stand zitternd auf ihren vier Beinen, als hätte man die Pfoten auf dem Boden festgenagelt. Das Fell war gesträubt, sie rollte mit den Augen, verdrehte sie, sah aus wie ein angeschlagener Boxer, taumelte jetzt, mal nach links, dann wieder nach rechts, knickte mit den Hinterpfoten ein, kam aber sofort wieder in die Höhe, um quasi zu explodieren.
Sie sprang in die Höhe, prallte gegen die Unterseiten der Stufenkanten, kreischte, fiel wieder zurück, drehte sich auf der Stelle und versuchte dabei, sich in den Schwanz zu beißen, was sie nach einigen Drehungen auch schaffte.
Die Alraune hatte sich nicht gerührt. Sie beobachtete mit wachem Interesse, wid sich die Katze weiterhin verhielt. Sie war nicht mehr normal. Das Gift der Alraune hatte auch bei ihr die nötige Wirkung hinterlassen, denn sie wollte ihren Schwanz nicht nur fangen, sie wollte ihn auch zerbeißen oder zerfetzen.
Immer wieder hackten ihre Zähne in den eigenen Schwanz. Haare wirbelten büschelweise durch die Luft. Die kahlen Stellen färbten sich dunkel, weil Blut aus den Wunden trat, und mit dem Schwanz zwischen den Zähnen warf sich die Katze auf den Boden und rollte sich dabei um die eigene Achse.
Urplötzlich lag sie still.
Nichts mehr erinnerte mehr an die Hektik und Wut der vergangenen Sekunden. Sie sah aus wie ein totes Tier, das aber täuschte, denn urplötzlich sprang sie wieder in die Höhe. Aus dem Mund drang ein Fauchen, und die Alraune starrte für einen Moment in das Gesicht der Katze. Sie sah die bösen Augen, die wie Spiegelbilder der Hölle wirkten, und das Tier riß seinen Mund auf, als wollte es gähnen.
Dann drehte es sich und rannte weg. Nichts hielt sie mehr unter dem Treppenabsatz. Sie war verändert, besessen, was die Alraune mit einem kalten Lächeln zur Kenntnis nahm. Es hatte ihr Freude bereitet, die Katze zu verändern, und sie wollte auch noch zuschauen, wie sie sich weiterhin verhielt.
Deshalb lief das Wesen bis an die vordere Seite des Treppenabsatzes und schaute darunter hervor.
Der Gehsteig lag wie eine Bühne vor ihr. Sie sah die Beine der Menschen, und sie hörte auch das Kreischen der Katze, die wie von Sinnen war. Der Todeskuß hatte sie angriffslustig gemacht. Es war ihr egal, gegen wen sie kämpfte, sie ging allen und jeden an, dabei spielte es keine Rolle, ob es Menschen oder Tiere waren.
Einen größeren Hund schlug sie in die Flucht. Sie griff ihn an und verletzte ihn mit ihren Krallen in Augenhöhe. Der Hund rannte jaulend davon.
Halbwüchsige hatten die Attacke der Katze beobachtet und sich darüber amüsiert. Sie lachten, klatschten in die Hände, auch andere Passanten waren stehengeblieben, denn das Tier hielt sich auf dem Gehsteig auf und drehte sich.
Eine ältere Frau, die über ihr Haar ein Kopftuch gebunden hatte, stand da und bekreuzigte sich. Ihr war
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