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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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der Pedale Tempo auf und ließ das Rad dann den Ilseberg hinabrollen. Die Reifen summten hell über das Kleinpflaster und so rollte er noch an „Drei Linden“ vorbei bis fast vor seine Haustür.
    Wer wußte noch von dieser „geschlossenen Gesellschaft“ bei Richard, fragte er sich leise zweifelnd, als er das Rad wieder in den Hausflur trug. Bis zu zehn Leute hatte Sebastian dort bei nächtlichen Treffen schon zählen können. Alle kannten sich und vor allem der Wirt kannte alle und vertraute ihnen. Eigentlich, überlegte Sebastian, sollte er diesen nicht ganz ungefährlichen Umgang hinter verschlossenen Türen und zugezogenen Gardinen ja meiden. Aber wenn man sich völlig verkriecht, sagte er sich, ergibt das auch keinen Sinn. Vor über zwei Monaten war er das letzte Mal dort gewesen und so war er doch ein wenig gespannt, wen er diesmal antreffen würde. Am Freitagabend waren die eigentlich immer dort versammelt.

    49.

    Draußen war es dann fast schon dunkel geworden, nur am westlichen Himmel konnte man noch so etwas wie einen helleren Schein ausmachen, als Sebastian gegen halb elf durch die Tür in die Gaststube trat. Der Wirt, gerade beim Bierzapfen hinter der Theke, sah auf und nickte ihm zu.
    Sebastian grüßte zurück, hob den Zeigefinger, wies mit dem Daumen auf sich und überflog mit einem Blick die Gaststube.
    Der Wirt hatte die Bestellung registriert.
    Ganz hinten erkannte Sebastian zwischen anderen Gästen Eddy, den Ziegeleiarbeiter, auch den Markscheider konnte er ausmachen und einen Baggerfahrer, den er seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, so wie noch einige andere, weniger bekannte Teilnehmer dieser abgeschotteten Runde.
    Wie vertrauenswürdig ein jeder von denen war, das einzuschätzen mußte dann schon Richard überlassen bleiben, dem Wirt, der jedes einzelne seiner Schäfchen besser kannte als diese sich untereinander. Hier verließ man sich unausgesprochen auf Richard, der, das wußten alle, sofort warnen würde, wenn irgendwas nicht stimmen sollte.
    Eine Kellner-Aushilfe brachte das bestellte Bier an Sebastians Platz ganz hinten im Raum. Der hatte zuvor Eddy und den Markscheider mit kurzem Augenzwinkern begrüßt.
    In gut besuchten Lokalen und noch dazu an Wochenenden mußte dort immer mit mindestens einem aktiven Stasi-Zuträger gerechnet werden. Dabei wurde von denen oft schon festgehalten, wer mit wem auch nur am Kneipentisch zusammen saß, des weiteren, wer mit wem mehr als einige wenige Worte wechselte. Das wußten alle und richteten sich auch danach.
    Im ganzen erwies sich der Gastraum bei Richard als ziemlich schlecht beleuchtet. Der hatte dazu aber mal erklärt, daß durchaus Absicht dahinter stecke, um den Zuträgern die Spitzelei zu erschweren, denn auch am Tage fiel durch die kleinen Fenster nur spärliches Licht, so daß bei trübem Wetter schon manches Mal die schwache elektrische Beleuchtung mithelfen mußte, damit die Gäste ihre Gläser oder Tassen auf den Tischen überhaupt noch finden konnten. Nur hinter der Theke brannte den ganzen Tag über helles Neonlicht.
    Als Sebastian von seinem Platz aus die Anwesenden genauer in Augenschein nahm, viele kannte er vom Sehen aus der Nachbarschaft, fiel ihm einer auf, vor dem er schon vor einiger Zeit gewarnt worden war, einer, der mal da, mal dort in allen Kneipen Großräschens herumlungerte, oft alleine saß und deutlich erkennbar Gespräche aufzuschnappen versuchte. Um ihn herum formierten sich dann immer sehr schnell Abstand und leerer Raum. Der war im Gegensatz zu erfolgreicheren Kollegen längst enttarnt und konnte nur noch auf den Genossen Zufall lauern.
    Ein unintelligenter Zuträger, sagte Sebastian sich und empfand dabei fast schon so was wie Mitleid mit diesem erfolglosen Lauscher an der Wand, bis er sich aber schnell klar machte, was dessen Erfolg schließlich bedeuten würde und daß diese Typen Menschen, oft genug schon rein politischer Lappalien wegen, ohne jede Skrupel, auf Jahre ins Zuchthaus gebracht hatten.
    Dann hörte er die Stimme des Wirtes die letzte Bestellung ausrufen: „Wer will noch was, wer hat noch nicht?“
    Nachdem alle bedient worden waren, weigerte er sich die üblichen Nachbestellungen entgegen zu nehmen. „Um elf muß ich schließen, Herrschaften, Vorschrift, das wißt Ihr doch.“ Und er wies hinter sich auf die Uhr über der Theke. „Ist gleich dreiviertel“, sagte er und ging mit seinem Zettel von Tisch zu Tisch, rechnete ab und kassierte. Die ersten Gäste verließen dann auch bald

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