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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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rechts, gewissermaßen im Zickzack hinab. Unten setzte er sich in den Schatten einer hoch aufragenden Düne. Die Sonne flimmerte auf einer ganz leicht gekräuselten Wasserfläche. Tiefe Stille herrschte unter einem transparent wirkenden dunkelblauen Himmel, wie er sich eigentlich erst im September zeigt, meinte Sebastian, der blinzeln mußte, wenn er auf die grell angestrahlten Sandflächen mit den tiefen Schlagschatten der herausgewaschenen breiten Rinnen um den See herum blickte, wie die Sahara, die Gobi, den Llano Estacado, sagte er sich, mit dem tiefblauen Himmel darüber, in den von dort unten gesehen die grellen Sandflächen direkt hineinzuragen schienen. Wenn er die Augen etwas zusammenkniff sah das Ganze flächig aus, ganz unwirklich, eher wie ein Ölgemälde.
    Ich habe hier unten immer das Gefühl des Unwirklichen, sagte er sich und ihm fiel dabei das Fahrrad ein, das hier ganz in der Nähe gefundene Rad, das jetzt oben hinterm Brombeergesträuch versteckt lag, sein Fahrrad, das damals vor vier Jahren hier unten einfach so im Sande gelegen hatte. Zwei Jahre lang hatte er im täglichen Abendgebet neben dem Schutz vor Lehrer Langenbach den lieben Gott auch um ein Fahrrad gebeten, eins mit profilstarken Vollballonreifen, so Leichtmotorradreifen wie am Rad seines Vaters, das dann aber bald geklaut worden war. Er hatte das Reifenprofil sogar im Traum gesehen. Und eines Tages lag es da, das Rad mit genau diesen Reifen, um die er gebetet und von denen er geträumt hatte.
    Als er mit seinem kleinen Bruder damals durch solch eine vom Regen ausgewaschene Rinne geklettert war und in die nächste hinabgeblickt hatte, sah er es, das Rad, und erschrak. Wollte ihn jemand auf die Probe stellen? Und so durchforschte er mit Blicken die Abrißkante über sich, ob dort oben womöglich jemand im Gebüsch lauerte.
    Sie gingen dann näher heran und der Schreck fuhr ihm zum zweiten Mal in die Glieder. Der Herzschlag verdoppelte sich, der Puls raste, erinnerte er sich, als er nämlich die Reifen von nahem sah, wundervoll mit genau den Traumprofilen. Und keine Spuren, weder Fuß- noch Reifenspuren, die dort hinführten. Das Fahrrad mußte also schon länger dort gelegen haben. Bei genauerem Hinsehen erkannte er dann auch Rostspuren an den Schutzblechen, der Kette und der Lenkstange. Der letzte Regen war aber schon vor Wochen gefallen.
    Daß man ein Rad erbeten konnte und Träume sich förmlich materialisierten, das war ihm unheimlich vorgekommen, daran dachte er dort im Sand, nicht weit von der einstigen Fundstelle. Wir lassen es bis morgen liegen, hatte er damals seinem kleinen Bruder erklärt.
    Am nächsten Tag hatten sie es geholt. Es war ein mühsames Unterfangen gewesen, es dort herauszuschleppen.
    Er ging immer noch gerne in diese einsame Landschaft, die ganz aus der Zeit gefallen schien. Auch Hans-Peter hatte dem zugestimmt und das ebenso empfunden. Gut zum Abschalten, hatte er gesagt. Wenn Sebastian in den letzten Tagen jedoch an diesen Freund dachte, machte Unsicherheit sich in seiner Stimmung breit, beschlich ihn leichtes Unbehagen. Spielte der doch mit dem Gedanken, die Schule zu schmeißen.
    Hauptamtlich beim Nachrichtendienst, das war sein Ideal. Als Sebastian das wie einen Witz ins Lächerliche gezogen hatte, war der Freund erst richtig fuchtig geworden.
    Wenn die mich im Westen nicht haben wollen, hatte er gesagt, dann können die mich vielleicht im Osten brauchen.
    Ja natürlich, gebrauchen, hatte Sebastian, erinnerte er sich, damals betont. Wir gehen am besten gleich zur Stasi, hatte er weiter geulkt und sagen denen, wir wissen was. Dann machen die uns umgehend zu Staatssicherheitsoffizieren und wir haben ein tolles Leben.
    So ulkig sei das gar nicht, war der Freund ihm ins Wort gefallen. Er war dann aber bald vom so Gesagten wieder abgerückt, mit der Erklärung, nur etwas verärgert gewesen zu sein. Aber warum sagte jemand so was, das sich fast wie eine Drohung anhörte? Sie mußten sich doch beide einig sein, auf Gedeih und Verderb einig. Was aber der Freund da gesagt hatte, würde sie lediglich in den Knast bringen, auch wenn der das dann bloß eine momentane Verstimmung genannt hatte. Jeder ärgerte sich doch mal, aber dann gleich so’n Stuß zu erzählen …?
    Es blieb lange hell um diese Jahreszeit und so machte er sich erst am Abend wieder auf den Weg zu seinem Fahrrad, zog es aus dem Gestrüpp und schlingerte damit durch den Sand zurück bis zur Senftenberger Chaussee. Dort nahm er durch kräftiges Treten

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