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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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„Spionage, weil sozusagen jede Schraube geheim ist und so das, was wir tun überhaupt erst einen Sinn bekommt. Wie wir dazu gekommen sind? Reiner Zufall.“ Und er schilderte das Zusammentreffen mit Hoffmann in Westberlin.
    „Und deine Schwester“, wandte der Pfarrer sich an Hans-Peter, „weshalb ist die eigentlich abgehauen?“
    Der hob die Schultern. „Ich weiß nur“, sagte er, „daß sie in Westberlin irgendeinen Engländer kennen gelernt hat, einen Diplomaten.“
    „Und deswegen ist sie abgehauen?“
    „Ja, so hab’ ich’s jedenfalls gehört.“
    „Hm“, sagte der Pfarrer, „‘nen Diplomaten? Da gibt’s doch andere Wege, also, ich meine jetzt auch andere Wege das Lager zu umgehen. Ist denn deine Schwester noch immer dort?“
    „Nein, ich glaube nicht.“
    Pfarrer Kunzmann schüttelte den Kopf. „Aber wenn sie diesen Diplomatenfreund hat“, sagte er, „müßten doch zumindest deine Eltern wissen, wo sie ist.“
    „Na klar“, meinte Hans-Peter, „aber ich hab’ noch nicht danach gefragt.“
    Der Pfarrer sah ihn erstaunt an. „Ich denke, darüber spricht man doch in der Familie oder ist’s dir wurscht, was deine Schwester macht?“
    „Natürlich nicht, aber wenn’s ihr schlecht ginge, wüßte ich’s sicher.“
    „Also eine große Geschwisterliebe scheint mir das nicht gerade zu sein.“
    Hans-Peter breitete die Hände aus. „Geschwisterliebe“, erklärte er ein wenig gequält, „das klingt so dramatisch. Irene, also meine Schwester, muß schließlich selber wissen, was sie will und was sie tut, genau wie ich.“
    „Liebe junge Freunde“, sagte der Pfarrer lächelnd und sah dazu erst den einen und dann den anderen an, „wißt ihr denn, was ihr wollt?“
    „Eigentlich schon“, antwortete Hans-Peter.
    „Das Problem dabei“, mischte Sebastian sich ein, „ist nur, daß es hier ja nicht darum geht, was wir wollen, sondern nur darum, was wir dürfen oder eben auch müssen.“ Dennoch beschlich ihn schließlich ein Gefühl, das er schon kannte und bisher immer verdrängt hatte: Irene. Er hatte sie seit damals in Berlin nicht wieder gesehen. Hans-Peter hat sie auch nie erwähnt und ich, fragte Sebastian sich. Ihm wurde klar, daß er davon nichts wissen wollte. Warum aber das Unbehagen, woher kam es? Immerhin war sie Mitwisserin, wenigstens zum Teil und längst nicht mehr im Flüchtlingslager? Wo war sie eigentlich? Hans-Peter wußte nichts … Der Pfarrer hatte Sebastian jetzt die Tür zu dieser Frage aufgestoßen.
    Das mit dem englischen Diplomaten war ja wohl Quatsch und paßte nicht zum wochenlangen Lageraufenthalt. Wo wollte Irene denn so einen Diplomaten auch kennen gelernt haben? Einfach so aus blindem Zufall auf der Straße? Möglich war alles, und er dachte dabei an Hoffmann und das Kaffeestübchen. Vielleicht, doch das hatte er bisher nicht mal zu denken gewagt, vielleicht hatte ja auch die Stasi dabei die Hand im Spiel? Auch das war immerhin möglich, aber daran wollte er nicht glauben. Und dann und überhaupt, das würde Hans-Peter ja hundertprozentig gewußt haben, denn Vertrauen war Ehrensache. Aber wenn der von nichts wußte war sicher auch keine Gefahr im Verzuge.
    „Ist euch denn wenigstens klar“, hörte er dann wieder die Stimme des Pfarrers, „in welche Gefahren ihr euch begebt?“
    „Da sind wir längst drin“, sagte Sebastian aus seinen Überlegungen geschreckt.
    „Stimmt“, sagte der Pfarrer, „aber wenn ihr geschnappt werdet, kann euch niemand helfen.“
    „Ja, das hat man uns in Westberlin auch schon gesagt“, und Sebastian zuckte mit den Schultern, „was soll man machen?“
    „Vielleicht die Finger davon lassen?“ fragte der Pfarrer.
    „Nee, wir haben uns das gut überlegt und sind der Meinung, wir müssen das machen, wenn wir die Möglichkeit dazu haben. Und die haben wir.“
    „Das Gute daran ist, ich zum Beispiel hätte euch das schon eurer Jugend wegen gar nicht zugetraut. So wird’s wohl, ist zu hoffen, auch anderen gehen, natürlich nur bei Beachtung konspirativer Regeln eurerseits. Dazu gehört vor allem, in der Öffentlichkeit nicht auf die Regierung zu schimpfen und was sonst noch, also laut keine kritischen Gedanken zu äußern.“
    „Also nichts mit Junger Gemeinde“, sagte Sebastian grinsend, „und nicht mehr beim Kreisjugendpfarrer das große Wort führen.“
    Pfarrer Kunzmann lachte. „Hab’ ich damals ja nicht wissen können, daß ich’s mit imperialistischen Agenten zu tun habe. Aber nun im Ernst“, fuhr er fort, „so

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