Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Adenauerstaat alte Nazis schon wieder das Sagen hätten, sollten die Genossen sich erst mal selbst an die Nase fassen.“
„Sie meinen mit dem katastrophalen Scheitern die Weimarer Zeit?“ vergewisserte Hans-Peter sich.
„Ja, natürlich, die Republik damals, die schwache Regierung, und wer wußte schon, was Demokratie überhaupt bedeutet. Zwei mörderische Ideologien standen sich sehr bald gegenüber, Stalin auf der einen und Hitler auf der anderen Seite. Und wie es schließlich ausging wissen wir ja alle und man redet nirgends gerne davon, weder im Westen noch im Osten und auch nicht darüber, was die Welt uns nie vergessen wird, nämlich die Judenvernichtung.“
„Na klar“, warf Sebastian ein, „wenn hier bei uns die KZs erwähnt werden, dann, weil dort vor allem Russen und Kommunisten gelitten haben. Von Juden ist da nie die Rede. Ich hab’ ihm das auch schon gesagt“, dazu wies er mit dem Daumen auf Hans-Peter. „Wenn in seiner Schule die Rede auf Hitler und die KZs kommt, dann hören die nur was von eingekerkerten Kommunisten. Stimmt doch?“ wandte er sich an den Freund.
Der nickte. „Ich wußte von der Judenvernichtung nichts, auch meine Alten haben davon nie geredet.“
„Nun, wir müssen halt sehen, wie wir damit umgehen und was uns die Zukunft bringt“, schloß Kunzmann das Thema ab. „Hitler ist weg, Stalin ist tot, aber der Stalinismus steht noch in voller Blüte, auch hier bei uns und der Westen, also die Alliierten, hatten den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen. Das klappte ja auch, aber nun haben sie und natürlich auch wir Beelzebub auf dem Hals. Dagegen vorzugehen ist allemal aller Ehren wert, liebe junge Freunde, auch wenn ich das Ganze sehr skeptisch sehe und nicht weiß, ob euch auch wirklich klar ist, auf was ihr euch da eingelassen habt. Das gilt genauso für Totila, der mir erklärt hat, er wisse das.“
Der Pfarrer öffnete beide Hände über dem Tisch. „Was soll ich dazu sagen? Verbieten kann ich hier nichts, was würde das auch bringen?“ Dazu sah er die beiden an. „Meint ihr denn wirklich, ihr müßt das tun? Sowjetische Militärtribunale haben massenweise Todesurteile über noch jüngere Menschen hier in Ostdeutschland verhängt.“
„Meinen wir schon“, sagte Sebastian und lehnte sich dabei im Sessel zurück, „jedenfalls, was mich angeht.“ Dabei sah er seinen Freund von der Seite an.
Der nickte dazu.
„Es sei denn“, schlug Sebastian grinsend vor, „wir gehen gleich zur Stasi und stellen uns freiwillig. Dafür haben die ja schon großzügig Straffreiheit versprochen, stand jedenfalls so in den Zeitungen.“
Der Pfarrer lachte. „Na klar“, sagte er, „der kürzeste Weg hinter Gitter“, dazu nahm er die Zigarettenschachtel vom Tisch, bot sie den beiden an, die sich dankend bedienten, entzündete ein Streichholz und hielt es mit ausgestrecktem Arm über den Tisch, um danach die eigene „Ramses“ in Brand zu setzen. „Ich will mir“, erklärte er, „euren Herrn Hoffmann doch mal ansehen.“ Dann blickte er sich plötzlich um. „Geht doch wieder mal ums Haus“, sagte er, „jeder von einer Seite, um sicher zu gehen, daß niemand lauscht.“
Hans-Peter schüttelte den Kopf. „Bei diesen dicken Vorhängen“, sagte er „ und den Doppelfenstern …?“
„Es gibt ja heute schon Gerätschaften, mit denen kann man selbst durch solche Scheiben hören.“
Am späten Abend endete das Treffen und Pfarrer Kunzmann verabschiedete seine Gäste.
Draußen war es dunkel und nur ein halber quittegelber Mond stand am Himmel, als die beiden sich durch die laue Sommernacht auf den Weg nach Hause machten.
52.
Eine Woche später traf man sich dann in Westberlin, Pfarrer Kunzmann nach einer Dienstfahrt ins Konsistorium in der Jebenstraße gleich neben dem Bahnhof Zoo, die beiden Freunde ebenfalls nach einer „Dienstfahrt“ von der Ostsee angereist. Hoffmann wußte Bescheid. Hans-Peter und Sebastian hatten den Pfarrer spätnachmittags, wie verabredet, in der Jebenstraße abgeholt. Gemeinsam waren sie dann zu einem Grunewald-Lokal gefahren, das Hoffmann ihnen genannt hatte und daß auch die beiden noch nicht kannten, ein hübsches, kleines Hotel, wie sich herausstellte.
Hoffmann und der Pfarrer zogen sich bald in einen separaten Raum zurück, während die Freunde in einem der Hotelzimmer den Bericht über ihre Fahrt an die Ostsee anfertigten. Nach gut zwei Stunden trafen sich alle in der Bar des Hotels. Dort wurde bei einem kühlen Bier an diesem
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