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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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heißen Sommertag noch etwas die politische Lage besprochen, bis der Pfarrer, Sebastian und Hans-Peter sich mit der S-Bahn auf den Heimweg machten.
    Worüber Kunzmann und Hoffmann geredet hatten blieb unerwähnt. Die beiden fragten auch nicht danach. Nur im Zug nach Lübbenau ließ der Pfarrer einmal durchblicken, daß dieser Hoffmann soweit ganz in Ordnung sei.
    „Und was ist mit Totila?“ wollte Sebastian wissen. „Hat Hoffmann da auch was gesagt?“
    „Ja, sicher, das ist alles klar.“
    „Hm“, grunzte Sebastian und sah zum Abteilfenster hinaus. „Ich kann nicht sagen“, erklärte er halblaut, „wie meine Eltern reagieren würden.“
    „Na und meine erst“, sagte Hans-Peter, „nicht auszudenken.“
    Im Bahnhof von Großräschen ging Pfarrer Kunzmann dicht hinter Sebastian durch den Schalterraum und tippte ihm kurz auf die Schulter. „Achte mal“, sagte er in gedämpftem Ton, als der sich fragend umdrehte, „auf seine Schwester“, und er wies mit dem Kopf auf Hans-Peter, der ein paar Schritte voraus lief.
    „Hoffmann?“ fragte Sebastian.
    Der Pfarrer nickte und hob die Schultern. „Nur so, nichts Spezielles“, murmelte er, als Hans-Peter stehen blieb und sich umsah, um auf die beiden zu warten.

    Es war tief dämmrig, als sie auf die Straße traten. Die hohe Laterne auf dem Bahnhofsvorplatz warf fahles Licht aufs Pflaster. Am Himmel im Westen leuchtete ein breiter Wolkenstreifen in orangeroten Tönen und daneben einige grünliche Wolkenflocken, die still in einem schwarzblauen Himmel standen.
    Sieht nicht wirklich echt aus, sagte Sebastian sich. In schwarzen Umrissen standen die Häuser gegen diesen Himmel und man konnte erleuchtete Fenster darin erkennen.
    Die zwei, drei Kilometer nach Großräschen-Süd mußten sie laufen, der Pfarrer sogar noch ein ganzes Stück weiter. Auf der langen Asphaltstraße mit den alten Ahornbäumen fuhren die wenigen Autos längst mit Licht.
    Sebastian blieb einen Moment stehen, lauschte in die weiten Wiesen neben dem Mühlgraben und hörte dann von dort, was er auch erwartet hatte, nämlich das Duck-Duck … Duck-Duck-Duck … der Rebhühner, die sich um diese Zeit von überall her zur Nacht versammelten. Diese leisen Laute konnte man nur vernehmen, wenn man von den Rebhühnern wußte und genau hinhörte. Er hatte sie auch früher schon beobachtet. Sie stellten dann, wenn sie sich in ihrer Schlafgruppe zusammengefunden hatten, Nachtwachen auf.
    Sebastian ging wieder schneller und holte in der Nähe der Apotheke seine beiden Reisegefährten ein, die in ein Gespräch vertieft, sein kurzes Zurückbleiben gar nicht bemerkt hatten. Als er zu den beiden aufschloß, hörte er noch die Erklärungen Hans-Peters zur Flucht seiner Schwester nach Westberlin: Die Geschichte vom englischen Diplomaten, ausführlicher diesmal. Die Frage des Pfarrers, ob er selbst denn diesem Herrn schon mal begegnet sei, verneinte er. Irene, seine Schwester, wolle ja die Eltern nicht in Schwierigkeiten bringen. „Schließlich ist da ja noch mein Vater“, hörte Sebastian ihn sagen, „mit diesem Vertrauensposten in der Bauunion. Der war ja auch nicht dafür, daß die in den Westen gehen wollte. Jedenfalls habe ich das so verstanden. Mein Vater würde auch nie nach Westberlin fahren und dieser Engländer sicher nie nach Großräschen.“
    „Wenn es den überhaupt gibt“, warf der Pfarrer ein.
    Hans-Peter sah ihn verblüfft an. „Aber Irene schwindelt doch nicht“, entgegnete er leicht pikiert. „Weshalb sollte sie das tun?“
    Pfarrer Kunzmann winkte ab. „Das könnte viele Gründe haben.“
    „Mir hat sie aber auch nichts von diesem Diplomaten gesagt“, mischte Sebastian sich ein, „also damals, als ich sie im Flüchtlingslager besucht habe.“
    „Warum sollte sie mit dir darüber reden?“ fragte Hans-Peter. „Das ist ja doch eine sehr private Angelegenheit.“
    „Mag schon sein“, sagte Sebastian, aber innerlich war er doch beunruhigt. Immer wieder diese Schwester, überlegte er und Hans-Peters Vater. Was hatte der eigentlich wirklich für’n Posten? Fahrbereitschaftsleiter sagte sein Freund, ein Vertrauensposten? Wer mußte dem denn vertrauen? Nur die Fahrer der Fahrbereitschaft …? Hans-Peter hatte ja selbst schon mal gesagt, sein Alter kenne alle Stasispitzel Großräschens und auch den Leiter der Stasi-Kreis-Dienststelle in Senftenberg.
    In mancher beruflichen Einbindung mag das hier im Osten ja durchaus möglich sein, hatte Sebastian damals gemeint, als sein Freund ihm

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