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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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er damals nicht hatte.“
    „Dauernd das mit den Chancen heute“, maulte der Sohn, „das ödet mich langsam an. Außerdem hat Vati ja heute auch Chancen, die er früher nie gehabt hätte.“
    „Das kannst du überhaupt nicht beurteilen!“ Damit beendete Frau Sasse das Gespräch und verließ die Küche.
    „Klar“, rief der Sohn ihr nach, „früher haben wir in den Arbeiterhäusern gewohnt, in der Ilsestraße, das weiß ich noch genau. So wie hier hätten wir nie wohnen können.“
    „Dein Vater ist eben heute wer“, rief seine Mutter aus dem Badezimmer, „er ist in der Partei und Fahrbereitschaftsleiter der ganzen ‘Tatkraft’. Bringe es erstmal soweit, dann kannst du kritisieren.“
    „Parteiprotektion“, erklärte der Sohn in abwertendem Ton.
    „Sei zufrieden, daß es so ist. Hat auch sein Gutes für dich“, rief sie, „du mußt es nur nutzen.“
    „Bin kein Protektionsknabe“, erklärte er, nahm seine Jacke und verließ die Wohnung. Immer diese Drängelei – mach Schularbeiten, schreib gute Noten... denk an die Chance. Studieren sollte er, Akademiker werden, sagte seine Mutter. Er sollte es mal besser haben als sein Vater. Dabei hat der’s jetzt gut, sagte sich Hans-Peter, als Hilfsarbeiter mit Volksschule und jetzt Abteilungsleiter mit Wohnung in einer Villa für Ilse-Prokuristen. Eine innere Unruhe hatte ihn aus der Wohnung getrieben, vielleicht war es auch nur schlechte Laune. Außerdem ödete ihn die Schule an. Kein anheimelndes Wetter draußen, stellte er unzufrieden fest, aber noch Tageslicht. Er schob sein Fahrrad vor das Gartentor, stieg auf und fuhr einfach die Straße entlang Richtung Ilseberg und diesen in den Pedalen stehend dann hinauf, rechter Hand an der
    „Kaiserkrone“, einem ehemaligen Ilse-Kasino vorbei. Oben angekommen sah er dann die Ruine der in den letzten Kriegswochen zerbombten Villa Generaldirektor Klitzings. Die hatten dort am Abend vor dem Bombenangriff, so wurde jedenfalls erzählt, noch ganz groß gefeiert, zusammen mit General Schörner und Offizieren seines Stabes, erinnerte Hans-Peter sich. Der hatte damals, die Front näherte sich bereits der Oder, sein Generalstabsquartier für ein paar Tage nach Großräschen verlegt. Massen von Bomben der Amerikaner gingen damals deswegen dort nieder. Große Zerstörungen und weit über hundert Tote waren das Ergebnis.
    Beim letzten Teilstück des Berges wurde ihm die Puste knapp. Am Ende der Steigung atmete er tief durch und fuhr weiter Richtung Senftenberg, um jedoch bald in den ersten Weg links abzubiegen, in zugeschüttetes Tagebaugelände hinein, auf beiden Seiten noch junges Kiefern- und Birkengehölz, die Bäumchen aber schon hoch wie ein Einfamilienhaus. Zu dieser Jahreszeit ein düsterer Weg. Die Kiefern finster, dazu die weißen Birkenstämme und einzelne Erlen, schwarz und kahl. Der Weg bedeckt mit moderndem Laub. Nachdem er dort eine ganze Weile entlanggerollt war, schob er das Rad ein Stück weit ins Gestrüpp und ging nachdenklich, den strengen Herbstgeruch nach feuchter Erde in der Nase, zu Fuß weiter. Die kalte Luft ließ ihn frösteln. Bald würde Winter sein – der eisglatte Schulweg oder hoher Schnee am Morgen, Frost und schneidender Wind dazu... Er stellte den Jackenkragen hoch, hob die Schultern, zog den Nacken ein und schob die Hände in die Taschen seiner Jacke aus rostbraunem Stoff eines abgetragenen Wintermantels seiner Mutter. Die dunkelblaue Skibundhose zeigte sich am Gesäß und den Knien ein wenig abgewetzt, dazu trug er hohe Schnürschuhe seines Vaters.
    Sebastian und er trafen sich oft, politisierten häufig, Probleme gab es zur Genüge: die Schule gab viele Anlässe, aber auch die ganz verschiedene Situation, in der beide sich befanden. Es handelte sich ja durch und durch um politische Verhältnisse, in denen sie lebten. Er war Arbeiterkind – und schon das, auch darüber hatten sie geredet, stellte eine Privilegierung dar, die vom so Privilegierten weder zu wollen noch abzulehnen war. Sein Freund Sebastian zum Beispiel durfte keine weiterführende Schule besuchen. Sebastian, das war ihnen beiden sonnenklar, unterlag schlicht staatlicher Ausgrenzung – wobei wohl dieser Lehrer Langenbach zu besonderer Verschärfung beigetragen hatte. Mit seinen Eltern konnte Hans-Peter darüber nicht reden, die fanden daran nichts auszusetzen, erinnerte er sich dort auf dem Weg in die Kippen. So seien nun mal die Verhältnisse im Klassenkampf, würde sein Vater erklären und die Mutter wiederum malte

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