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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Lehrlinge, ein Bauernsohn mit Abitur, der dabei sein eigenes Brot mit Hausmacher Bauernleberwurst auch auf die Glut legte.
    „Was meckerst du über deiner dicken Leberwurststulle...“ konterte Nuglisch.
    „Was heißt Leberwurst, ich hab’ jeden Tag das gleiche drauf, die selber gemachte Leberwurst da und nicht Bierschinken, Schinkenwurst, Kochschinken, Preßkopf ... und wie das Zeug sonst noch heißt. Ich wundere mich bloß darüber, wo du das dauernd alles her kriegst.“
    „Sei nicht neidisch, meine Eltern haben halt eine Fleischerei verpachtet.“
    „Rede nicht so laut darüber“, mahnte Sebastian den einstigen Klassenkameraden.
    Schließlich gab es Fleisch und Wurst nur auf Marken und man durfte zufrieden sein, wenn man überhaupt was bekam. Sebastian mußte öfter den Familieneinkauf tätigen und konnte ein Lied davon singen. Auch Haumeister Matuschka, Onkel Jaschek, hatte auf seinem Frühstücksbrot nur Harzer Käse. „Seid zufrieden“, sagte er, „daß ihr überhaupt was zu essen bekommt. Die kleinen Leute hatten früher oft nicht das zu beißen, was ihr heute für selbstverständlich haltet. Das wird in Zukunft noch besser, viel besser für den kleinen Mann werden. Ihr seht’s ja selbst“, sagte er, „schon heute kann ein Arbeiter- oder Bauernkind Förster werden.“
    „Und wer soll heute Waldarbeiter sein“, fragte Sebastian, „die muß es ja auch geben.“
    „Natürlich“, sagte Onkel Jaschek, „die sind ganz wichtig. Aber wer gut ist, kann dann eben auch Förster werden.“
    „Arbeiter und Bauern …“ sagte Sebastian, „aber wenn man solche Eltern nicht hat?“
    „Wer hier Facharbeiter wird“, meinte Onkel Jaschek, „hat dann immer auch eine eigene Chance.“
    „Und wenn nicht?“
    „Ja, Waldarbeiter werden halt immer gebraucht.“
    „Na prima, dann kann ich mich ja schon immer darauf vorbereiten.“
    „Forstfacharbeiter ist doch bei uns heutzutage ein schöner Beruf.“
    „Eigentlich“, sagte Sebastian, „habe ich ja mehr an den Beruf des Försters gedacht.“
    „Nun ja, denken kann man schon viel. Ich wäre früher sicher auch gern Förster geworden, doch schon auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. So ein Förster war wie ein Polizist damals, eine Respektsperson. Als Kinder haben wir uns lieber versteckt, wenn wir den Förster nur von weitem sahen. Bei Eltern, die einfache Gutsarbeiter waren, lag auch eine höhere Schulbildung außerhalb jeder Vorstellung. Jetzt gibt’s die Chancen für die einfachen Leute. Das war früher nicht so“, dabei stocherte er mit einem Ast in der Glut und legte ein neues Käsebrot drauf.
    „Wenn es in Ihrer Jugendzeit ungerecht zugegangen ist“, stellte Sebastian fest, „dann kann man eine Ungerechtigkeit doch jetzt nicht durch eine neue wettmachen. Ich hätte vielleicht früher mal Förster werden können, aber heute kaum noch. Irgendwie stimmt doch das alles nicht.“
    Matuschka wiegte bedächtig den Kopf. „Seit Generationen sind deine Vorfahren vorgezogen worden und da ist es doch nur gerecht, daß nun mal andere dran kommen. Im Kommunismus gibt’s dann keine Klassen mehr. Das ist heute nur ein Übergang. Da muß halt gehobelt werden und da fallen auch mal Späne.“
    „Und zu diesen Spänen soll ich mich zählen?“ fragte Sebastian.
    „Ja, früher, da waren es andere“, antwortete Matuschka, „aber unsere Kindeskinder werden dann alle gleich sein. Da muß auch nicht mehr gehobelt werden.“
    „Klar, ist dann ja alles glatt“, bestätigte Sebastian spöttisch.
    „Ja eben“, und Matuschka nickte. So eine Gerechtigkeit ist heute noch nicht zu machen.“
    Die anderen saßen am Feuer, schwiegen und aßen ihre Brote. Von einem Zweig über ihnen stäubte eine Ladung Schnee ins Feuer, das qualmend aufzischte.
    Als Matuschka die Frühstückspause aufgehoben hatte, entspann sich unter den Lehrlingen lärmend ein Fechtkampf, ausgefochten mit abgeschlagenen Kiefernästen, daß es im sonst so stillen Winterwald widerhallte vom Krachen der Äste, die aufeinander prallten. Als der ganze Trupp sich im Wald verstreut hatte, wirbelten geschleuderte Knüppel durch die Luft, so daß mancher im letzten Augenblick hinter einem Baumstamm Schutz suchte, bis Matuschka den Frieden ausrief und zur Wiederaufnahme der Arbeit aufforderte. Bald schallte dann wieder das gleichmäßige Ratschen von Schrotsägen durch den Wald, unterbrochen ab und an von Achtung-Rufen und dem Krachen stürzender Bäume, eingehüllt in Fontänen pulvrigen Schnees, der

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