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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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die vielen Notlagen der Bevölkerung noch immer mit Hitlers Krieg zu erklären versuchten. Schließlich stand dahinter stets unausgesprochen, daß sich ja fast alle Menschen im Lande daran mitschuldig gemacht hätten. Erweckte Schuldgefühle, die berechtigten Unmut dämpfen sollten. Und zur Peitsche kam dann noch ein vermeintliches Zuckerbrot: Man solle doch daran denken, daß es einem bereits merklich besser gehe als noch 1945/46.

    11.

    Kurze Wintertage gingen immer wieder rasch in Dunkelheit über. Mal schneite es, dann kämpfte Sebastian sich mit seinem Fahrrad im Morgen- und Abenddämmern durch den Neuschnee im Wald oder es gab Frost in der Nacht und spiegelglatte Straßen am Morgen. An einem solchen Tag sollte er im Büro bei Revierleiter Nagel in Kladden geschriebenes Einschlagsholz kubizieren, eine eintönige Tätigkeit, doch wenigstens in einer warmen Stube. Vor der langgezogenen Abfahrt nach Altdöbern wollte ihn ein Großräschener Oberschüler auf dem Weg zur Schule mit dem Fahrrad überholen, Sebastian parierte das herannahende Rad, indem er schon auf der Gefällestrecke womöglich zu rasch in die Pedalen trat. Vielleicht war es die Wölbung der spiegelblanken Chaussee, die ihn wegrutschen und samt Fahrrad auf der glatten Straßendecke landen ließ, vielleicht auch ein minimales Verreißen der Lenkstange. Jedenfalls schlidderte er bei dem Tempo, das er bereits vorgelegt hatte, auf dem Hosenboden gut hundert Meter gen Altdöbern. Das Rutschen schien einfach kein Ende nehmen zu wollen. Nur ein spöttisches Lachen vernahm er noch, als der andere an ihm vorbeifegte, indes er mit seinem Drahtesel hilflos übers Eis rutschte. Passiert war nichts. Auch das Rad hatte keinen Schaden genommen. Er richtete sich auf, schüttelte und klopfte den Eisstaub aus den Sachen und fuhr, etwas vorsichtiger geworden, ins Büro. Ein einfaches altes Haus mit Giebeldach, gleich links am Eingang des Ortes, das man von der Straße aus durch einen Flur betrat. Von dort aus kam man linker Hand in ein dreifenstriges Zimmer, in dem auch der zwanzigjährige Förster wohnte, eingerichtet mit Tisch, drei Stühlen, einem abgedeckten Bett, Kleiderschrank, Wasserkanne und Waschschüssel auf einem Bord, einem großen, grünlasierten Kachelofen in einer Ecke und einem Schreibtisch an der Wand. Eine Tür führte in einen winzigen Raum mit Toilette. Nicht eigentlich das, was Sebastian sich unter einer Revierförsterei vorgestellt hatte. Allzu sehr wunderte er sich aber über so manches nicht mehr, da ja vieles nicht so war, wie es hätte sein sollen oder wie es wohl auch einmal gewesen war. Doch darauf hielt man sich etwas zugute bei der Arbeiter- und Bauernmacht, in der ein Förster eben nicht mehr privilegierter Lakai wie im Kapitalismus war. Eigentlich hatte Sebastian ja mal so ein privilegierter Lakai als mögliches Ziel für sich vorgeschwebt. Ein Irrtum, ganz klar. Er würde nicht mal für solch ein Wohnbüro zugelassen werden. Die stets unterdrückte Frage, weshalb er hier überhaupt noch weitermachen sollte, drängte sich ihm immer öfter auf. Was aber hätte er sonst tun sollen? Wo war der Ausweg? Er wußte ja, daß sein Bruder statt Bildhauer zu werden, Ziegelsteine karrte. Und er, Sebastian, dort im Wald als Holzhacker...? So saß er da am Schreibtisch vor den Listen und kaute am Bleistift. Dazu sah er, in Überlegungen verstrickt, seitwärts zum Fenster auf die vereiste Straße hinaus. Er war allein im Raum. Der Kachelofen schickte Wärme ins Zimmer. Förster Nagel war irgendwo im Revier unterwegs. Ganz sicher kein Vergnügen bei diesem vielen Schnee. Dann ging er durch den Raum, öffnete die quietschende Kachelofentür und warf einige Briketts in die Glut. Abhauen, sagte er sich, natürlich abhauen, klar. Und er verriegelte klirrend die heiße Ofentür mit dem Feuerhaken. Durch Luftschlitze fiel flackerndes Licht auf zerkratzte rotbraun lackierte Dielen.

    12.

    Tage später saßen die Lehrlinge mit Haumeister Matuschka wie üblich zur Frühstückspause um ein qualmendes Feuer im verschneiten Chransdorfer Forst. Dank tiefer Temperaturen und völliger Windstille stieg der Qualm des Feuers kerzengerade hinauf in die Baumwipfel. Es gab auch Tage, an denen kaum ein Feuer entzündet werden konnte, tränende Augen und Hustenattacken wären die unangenehme Folge gewesen. Nicht so an diesem Tag.
    Wolfgang Nuglisch schob vorsichtig sein Schinkenwurstbrot auf die Glut.
    „Das ist ja wieder mal ein bourgeoises Brot“, witzelte einer der

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