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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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Motto lautete: »Sieh nur, Liz, wie perfekt dieser Typ und seine wunderbare Familie sind – so was wirst du nie erleben.« Urplötzlich kam mir das Ganze übertrieben komisch vor.
    Bevor ich mich bremsen konnte, musste ich laut losprusten. Köpfe drehten sich zu mir um, denn es passierte gerade nichts offensichtlich Witziges. Ich wusste, dass ich mich komisch benahm, schaffte es aber nur kurz, mein Gekicher zu unterdrücken, und hielt mir eine Hand vor den Mund, bis ich einen richtigen Lachanfall bekam, den ich nicht mehr kontrollieren konnte. Das Ganze war einfach so lächerlich: erst die Gespräche über Käsesorten, dann das schöne Zuhause, Kens Aussehen und sein Verhalten mir gegenüber, beides zu schön, um wahr zu sein, und schließlich Ken und Anna als Paar, dazu seine Eltern … Aber es war dieser verdammte Brotkorb, der mir den Rest gegeben hatte. Sam hätte in mein Gelächter eingestimmt, wenn sie hier gewesen wäre, angesichts dieses wunderbaren, unerreichbaren Lebens, das wie die weihnachtliche Schaufensterdekoration bei Macy’s alle anlockt, perfekt gestaltet bis ins letzte Detail und hinter Glas verschlossen. Man ließ sich von dem Geglitzer überwältigen, und dann ging man weiter seines Weges.
    Durch mein Gekicher zog ich alle Blicke auf mich. Hey, ich wusste, wie Verrückte sich benehmen und wie befremdend es sein kann, wenn jemand abdreht. Also versuchte ich ihnen zu erklären, warum ich so lachen musste, damit sie sich besser fühlten, aber das machte alles nur noch schlimmer.
    »Es ist nur, weil ihr einen ganzen Korb voll … süßem Zeugs da stehen habt«, brachte ich prustend hervor. »Na ja, äh, ihr wisst schon … Ich meine ja nur, also einen ganzen Korb , und diese Karaffe da, die ist enorm , oder?« Ich war mit einem schmerzlich unangenehmen
Schweigen konfrontiert. »Also, genehmigt ihr euch jeden Tag so ein Frühstück?«, fragte ich. »Ich meine … das ist toll, mehr wollte ich gar nicht sagen.« Glücklicherweise hörte mein Kicheranfall dann endlich auf. »Denkt euch nichts, ich mag einfach nur süße Sachen«, verkündete ich zum Schluss, »die schmecken mir ausgezeichnet .«
    Kens Mutter sagte als Erste etwas und kam mir damit zu Hilfe.
    »Ja, wirklich ausgezeichnet, nicht wahr?«, sagte sie, als ergäben meine Worte tatsächlich irgendwie Sinn. »Die Bäckerei stellt alles hier vor Ort her, ganz frisch. Und deshalb sind die Sachen so lecker.«
    Ich biss in einen Blaubeermuffin und setzte mich aufrecht hin. Steven, Jeremy und Kat machten Pläne, abends vielleicht in einen Jazzclub im Village zu gehen. Die beklommene Atmosphäre im Raum entging mir nicht, genauso wenig wie die Tatsache, dass sie mich nicht fragten, ob ich mitkommen wollte.
    Kurz darauf waren alle mit dem Frühstück fertig und begannen, ihre Sachen zusammenzusuchen und die Taschen zu packen. Es klingelte; Annas Mom kam vorbei, um ihre Tochter abzuholen. Von meinem Platz aus, allein am Küchentisch, sah ich zu, wie sich die beiden Mütter an der Eingangstür begrüßten. Anna und Ken gesellten sich dazu und bildeten mit ihren Müttern einen Kreis, unterhielten sich angeregt und lachten fröhlich. Einen Moment lang sehnte ich mich nach Ma. Ein Schwall Tränen schoss mir in die Augen und ebbte wieder ab. Als ich die vier beobachtete und den anderen dabei zuhörte, wie sie ihre Taschen packten, wurde mir etwas klar.
    Nichts von all dem hier durfte ich behalten.
    Alles, was ich hier genoss, war zeitlich begrenzt; ich war auf Besuch. Meine NYPIRG-Mitstreiter würden bald wieder auf ihre jeweiligen Colleges gehen, und wir würden uns aus den Augen verlieren. Die herzliche Atmosphäre in diesem Haus und diese interessanten Menschen waren nicht meine Welt. Genauso wenig wie es das Haus dieser Familie war. Und ich hatte auch keine engere
Verbindung zu Ken; diese ganze Situation entstammte nicht meiner Welt, nichts davon. Ihre Leben verliefen auf sozialer Ebene symmetrisch, beinhalteten die Möglichkeit, in Verbindung zu bleiben, und daraus resultierte die Mitgliedschaft in einem Club, von dem ich genug wusste, um zu kapieren: Ich passte nicht dazu. Bald würde ich mir wieder irgendwo in der Bronx einen Schlafplatz suchen, und das hier – sie alle zusammen – würde der Vergangenheit angehören.
    Ich blickte noch einmal in das Körbchen mit Muffins und Bagels. Dann sah ich hinüber zu der lebhaften Gesprächsrunde. Zu Ken mit einem Lächeln im Gesicht, herzlich, in all seiner zwanglosen Herrlichkeit. Heimlich öffnete ich

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