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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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und ich fuhren ihn einfach an seine Lieblingsplätze. Der Stadtteil Haigt-Ashbury, Alcatraz und sein geliebter City Lights Bookstore . Gemeinsam standen wir vor den alten Holzregalen, und Daddy überflog Seiten der Bücher von Allen Ginsberg und Jack Kerouac und lächelte still vor sich hin, wenn ihm Passagen bekannt vorkamen. Als wir am Ende dieser Woche nach Boston zurückflogen und ich allein in meinem Zimmer war, fand ich eine Karte von Daddy, die er heimlich in meinen Koffer gelegt hatte. Darauf stand:
    Lizzy, ich habe meine Träume vor langer Zeit hinter mir gelassen, aber ich weiß class sie bei Dir gut aufgehoben sind. Danke, class Du wieder eine Familie aus uns gemacht hast.
    Ich brachte die Karte über meinem Schreibtisch an, genau da, wo ich immer saß und meine Arbeiten und Aufgaben fürs College erledigte, damit ich sie beim Arbeiten immer vor mir hatte. Jedes Mal, wenn mein Blick auf Daddys vertraute ausladende Handschrift fiel, erfüllten mich eine tiefe Liebe für meinen Vater und eine gewisse innere Ruhe, weil ich wusste, dass er hier in der Nähe war, geborgen und in Sicherheit.
    Nur drei Wochen später legte sich Daddy oben zum Schlafen hin und wachte nicht mehr auf. Er war vierundsechzig Jahre alt und zum Zeitpunkt seines Todes seit acht Jahren clean und trocken. In dieser Zeit hatte er eine wöchentlich stattfindende »Rückfall-Präventions-Gruppe«
für genesende Süchtige geleitet, und dort umgab ihn ein enger Freundeskreis, den er von ganzem Herzen liebte. In der Nacht, in der er in meiner Wohnung starb, fand ich mich umringt von meinen Freunden wieder. Eva, Ruben, Ed und noch ein paar mehr schleppten zwei zusätzliche Matratzen in mein Zimmer, damit wir uns unter den Decken aneinanderkuscheln und miteinander reden konnten. Wir schlossen die Tür, damit Ed und ich nicht das Gekrächze der Polizeifunkgeräte hören mussten, als Daddy nach der Untersuchung durch den Gerichtsmediziner aus dem Haus getragen wurde.
    Auf Daddys Wunsch hin wurde er eingeäschert. Am Vatertag verstreuten Lisa, Edwin, Ruben, Eva und ich seine Asche in Greenwich Village, eine Handvoll an jedem seiner Lieblingsplätze: auf der Türschwelle des Wohnhauses eines Freundes, vor der Methadon-Klinik und in dem Viertel, wo er mit Ma gelebt hatte, bevor wir auf die Welt kamen. Dann mischten wir den Rest seiner Asche mit Rosenblättern und schickten sie von der Promenade am Battery Park aufs Meer hinaus. Die rosafarbenen Blütenblätter trieben im nachlassenden Abendsonnenlicht von dannen, und Lisa, meine Freunde und ich saßen eng beieinander auf einer Bank und teilten unsere Lieblingserinnerungen an Daddy. Wortlos griff Ed nach meiner Hand und drückte sie fest, und ich wusste, dass wir beide untröstlich, aber auch stolz darauf waren, dass Daddy glücklich gestorben war, umgeben von Leuten, die ihn liebten.
    Zu meinem Collegeabschluss gaben meine Freunde Dick und Patty mir zu Ehren eine Party bei sich zu Hause in Newton, Massachusetts, und Lisa und all meine Freunde kamen zu dem Fest. Als sie gemeinsam den Kuchen anschleppten, blickte ich mich um und sah überall nur Gesichter von alten und neuen Gefährten, die mich rückhaltlos stützten: Lisa, Ruben, Anthony, Ed, Eva, Shari, Bobby, Su, Felice, Dick und Patty, Mary und Eddie. Sie sangen und feierten mit mir, und ich stand einfach nur da und ließ es auf mich wirken. Ich liebte jedes einzelne Mitglied meiner Patchworkfamilie.
In diesem Augenblick konnte ich spüren, wie mein Herz sich öffnete durch die erste Liebe, die mir von Ma und Daddy zuteilgeworden war: Es war dieselbe Liebe, die ich beim Anblick meiner Freunde fühlte — jene Liebe, die ich immer noch für meine ganze Familie in mir trage.
    An jenem Tag also, in Buenos Aires, an dem ich eine einzige Frage an den Dalai Lama stellen sollte, formulierte ich Folgendes: »Eure Heiligkeit, Sie inspirieren so viele Menschen, aber woher nehmen Sie Ihre Inspiration?« Er wartete einen Moment und beugte sich dann vor, um mit seinem Übersetzer zu sprechen. Dann wandte sich Seine Heiligkeit wieder mir zu und sagte mit einem fröhlichen Lachen: »Ich weiß es nicht, ich bin nur ein einfacher Mönch.« Der riesige Konferenzsaal brach in Kichern und Wispern aus. Es war an diesem Tag bei Weitem die kürzeste Antwort auf eine Frage gewesen, was nicht unbemerkt blieb. Und damit kam der Vortrag des Dalai Lama zu einem abrupten Ende; man brachte ihn in Windeseile hinter die Bühne, und die Firmenbosse und ich verteilten uns in der

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