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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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Klassenzimmer gehen. Wie sollte ich in ihre Gesichter sehen, geschweige denn mir meinen Platz zwischen David und Tamieka zurückerobern? Ich wünschte, ich würde an den Dünsten sterben und dass man Mrs Reynolds die Schuld an meinem Tod zuweisen würde.
    Als Mrs Reynolds mir endlich erlaubte, mich wieder aufzurichten, stellte sie fest: »Das reicht. Du willst ja nicht, dass man dich mit einem Salat verwechselt, oder, Kindchen?« Sie prustete kurz los, und dann verschwand ihr Lächeln so schnell, wie es aufgetaucht war. »Ab mit dir. Zurück zum Unterricht.«
    Zusammengekauert in der Badewanne zu Hause, beobachtete ich, wie die Läuse hilflos in dem Wasserstrahl, den ich aus dem Hahn abließ, davonschwammen. Meine Kopfhaut pochte unter dem Zug der festen Zöpfe. Ich dachte daran, wie wenig Mrs Reynolds’ »Hausmittel« geholfen hatte, genauso wie Lisas »Behandlung« nichts zu bewirken schien.
    Ich stand auf, um mich im Spiegel zu betrachten. Der Anblick, der sich mir bot, war erstaunlich. Als ich mit meinen Versuchen, die Rosen gleichmäßig zu verteilen, gescheitert war, hatte Lisa sich
freiwillig angeboten, mir bei der Befestigung zu helfen. Über meinen ganzen Kopf verteilte sich ein vollendeter Kopfputz aus Rosen – eine Art symmetrisches Blumengesteck.
    Ein einsames Tierchen krabbelte den Saum des Barbie-Kleids entlang, gemütlich und leichtfüßig auf dem roten Stoff. Hatte Lisa gelogen? Oder hatte sie irgendetwas vergessen? Ich zog mich wieder an, trat aus dem Badezimmer heraus und rief nach meiner Schwester.
    »Es funktioniert nicht! Was soll ich jetzt machen?«
    Lisa versuchte erst noch, ihr Lachen im Zaum zu halten. Und bevor ich irgendetwas sagen oder tun konnte, erklangen die Stimmen unserer Eltern im Treppenhaus. Lisa schüttelte sich mittlerweile vor Lachen, sie hielt sich die Seiten und kostete mein Entsetzen genüsslich aus. In diesem einen schrecklichen Augenblick erkannte ich, dass alles nur ein Scherz auf meine Kosten gewesen war. Sie hatte mich mal wieder richtig reingelegt.
    Lisa hielt mich an beiden Armen fest, um zu verhindern, dass ich ihr Werk vernichtete. Ihr Gelächter verfolgte mich, als ich mich losriss und die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zuschlug. Ich krallte mich an den falschen Blütenblättern fest und riss mir jedes einzelne vom Kopf.
    Dann fummelte ich das Puppenkleid ab, rannte zum Fenster und schmiss es wütend hinaus. Die Haarspangen folgten dicht dahinter und fielen lautlos auf die Straße. Im Nebenzimmer raschelten meine Eltern mit ihren Plastiktüten herum. Ich stemmte mich mit dem ganzen Körper gegen die Tür, damit sie zublieb. Auf der anderen Seite benutzte Lisa ihr gesamtes Gewicht, um gegen meinen Widerstand anzukämpfen. Mit einer Hand entwirrte ich die Zöpfe, mit der anderen hielt ich gleichzeitig die Tür zu. Dann trat ich im richtigen Augenblick zur Seite, sodass sie über die Türschwelle sauste und flach aufs Gesicht fiel. Ich blieb stehen und betrachtete die leuchtend roten Rosen um meine Füße herum.
    »Was ist hier los?« Ma streckte den Kopf durch die Tür. Ich brach in Tränen aus.

    »Was ist passiert? Lisa, was hast du angestellt?«
    »Nichts, ich habe überhaupt nichts angestellt! Lizzy wollte mich ihre Haare machen lassen. Und jetzt heult sie. Ich weiß nicht, warum. «
    »Raus hier!«, kreischte ich.
    »Lisa, sag mir …«, setzte Ma an.
    » Raus hier! Du Miststück!«, schimpfte ich noch lauter.
    Lisa stand auf und zog ohne weiteres Bestreben, mich zu quälen, von dannen.
    Ma ging in die Hocke, breitete ihre Arme aus und umarmte mich. Ich zerfloss in ihrer Wärme.
    »Was ist denn los mit meiner Kleinen? Sag Mommy, was passiert ist.«
    Sie kämmte mir mit ihren Fingern die Haare und wischte mir mit dem Daumen die Tränen ab. Ma küsste mich auf Wangen und Stirn, und ihr Blick war so voller Mitgefühl, dass ich schon dachte, sie würde auch gleich weinen. In ihren Armen verflüchtigte sich meine Wut.
    »Rede mit mir. Schhh, weine nicht, mein Schatz.«
    Aber genau dieses Weinen brachte sie mir ja nahe, unmöglich also, damit aufzuhören.
    Die Welt war voller Menschen, die von mir abgestoßen waren. Nur meine Mutter wusste, dass ich es wert war, umarmt zu werden. Also ließ ich mich von ihr festhalten und wieder und wieder fragen, was denn nur passiert sei, nur damit ich ihre Stimme hören konnte, wie sie in ihrem Brustkorb vibrierte, summend meinen Körper traf und mich in ein Gefühl von Sicherheit hüllte. Ich grub mein Gesicht in Mas Hals,

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