Als der Tag begann
dieses Alter Ego, unterhielt sie uns mit urkomischen Geschichten über die anderen Leute in der Psychiatrie, und bei jeder Anekdote verschlug
es ihr vor Lachen fast den Atem. Ihre Mundwinkel fielen nach unten, ihre Fäuste krachten auf die Tischplatte, als sie über ihren eigenen Witzen fast zusammenbrach. Sie trug immer noch den Geruch nach der vom Krankenhaus verordneten Seife am Körper und im Haar, einen Geruch, den ich bei den häufigen Umarmungen genoss, wenn sie gerade wieder frisch nach Hause zurückgekehrt war. Diese Ma rauchte weniger, und sie machte viel Wirbel um die Symmetrie unserer Wohnzimmergardinen. Es kam vor, dass sie summend durch die Wohnung ging, um auf dem Rückweg zum Flur am Sofa stehen zu bleiben und mir einen Kuss auf die Stirn zu drücken, einfach so. Es reichte aus, zu Hause zu sein, um diese Version von Ma glücklich zu machen. Mehr brauchte es nicht.
Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal schickte uns das Krankenhaus eine Fremde an Mas Stelle zurück, eine, die zu keiner der vorherigen Versionen zu passen schien. Sie zogen ihr dieselben Sachen an, lieferten sie an die richtige Adresse, machten sie mit unseren Namen und ihrer Umgebung bekannt – sie vergaßen bloß einen Teil ihrer Persönlichkeit. Das Erste, was mir auffiel, war ihre absolute Reglosigkeit, die Art, wie ihre Gliedmaßen sie zu steif durch die Eingangstür trugen, wie ein Model, das einen Stapel Bücher auf dem Kopf balanciert. Sie war nicht zappelig wie sonst; Unruhe gehörte nicht mehr zu ihren Eigenheiten.
Ma begrüßte uns mechanisch mit schlaffen Umarmungen, einen nach dem anderen. Sie brachte ein Lächeln zustande, obwohl ein Großteil ihres Gesichts nicht mitmachen wollte.
»Nimmst du ein anderes Medikament?«, fragte ich, als sie ihre Sachen auspackte, umfangen von einem unangenehmen Schweigen.
»Keine Ahnung, Lizzy, schon möglich.«
Lisa war aggressiver, sie stellte eine Frage nach der anderen. Ma sagte wenig dazu und ließ Lisa mitten im Satz einfach stehen. Ihre Augen suchten dann die Wand ab, die Decke, die Dielen, alles, nur nicht Lisas Blick. Daddy war entgegenkommend, beziehungsweise
Ma war’s; sie schliefen fast eine Woche lang in einem Bett. Dann kehrte Ma auf die Couch zurück oder setzte sich ans Fenster, wo sie stundenlang mit steifem Körper ausharrte, die Augen groß, das Haar zurückgebunden; reglos in ihrem rosafarbenen Morgenmantel, wie eine Schaufensterpuppe bei Macy’s, eine pittoreske Auslage von Traurigkeit. Das Wetter draußen schien genau zu ihrer Stimmung zu passen.
Es regnete die gesamte erste Woche nach ihrer Rückkehr; Schlaglöcher liefen über, alte Bierdosen und Zigarettenstummel wurden aus den Rinnsteinen gespült. Es regnete so stark, dass der Wettermann schon in der Werbepause gewissenhaft die Aktualisierungen vorbereitete. Der Himmel war so grau, dass es schien, als wäre es den ganzen Tag lang Abend. In der dritten durchregneten Nacht verkündete Ma, es sei eine »Tsunami-Wetterlage«, und übertrieb maßlos bei der Darstellung.
»Wann immer ein Tsunami zuschlägt, ist das Wetter wahrscheinlich genauso«, sagte Ma, als wir eines Abends gemeinsam zusahen, wie der Regen auf den Asphalt in der Seitengasse trommelte.
»Was ist ein Tsunami?«, fragte ich, mehr um ihre Laune einzuschätzen als aus echter Neugier.
Sie kratzte an einem winzigen alten Farbklecks herum und pulte ihn vom Fenstersims, und mit jeder kalten Windböe wehte der Geruch nach Regen herein. »Ein Tsunami ist eine richtig große Welle, die Menschen tötet und Häuser und Dörfer zerstört, Lizzy. Sie ist gigantisch, so groß wie ein Berg.«
Manchmal ließ die Zufälligkeit dessen, was sie als Gesprächsthemen anbot, Ma wie eine Fremde wirken. Auf diese Art und Weise Dinge über sie zu erfahren, gefiel mir einerseits und gefiel mir andererseits nicht. Es fühlte sich an wie das Fischen im Dunklen nach Teilen von Ma, und zwar am Hort ihrer Vergangenheit. Alles war zu verschwommen und nie im Einklang mit dem, was sie mitteilte. Ich konnte leicht etwas Wichtiges über Ma lernen, genauso wie das Gegenteil der Fall sein konnte. Der Gedanke daran,
wie wenig ich über sie wusste, quälte mich; wir waren dadurch voneinander getrennt, und das hasste ich.
»Wie kann es das alles zerstören, es ist doch nur eine Welle? Wellen sind im Ozean, und Dörfer und Menschen sind an Land.«
»Schon, aber diese Welle ist anders, Lizzy. Sie ist nicht wie die am Strand, weißt du. Sie ist viel größer.« Ein Blitz schoss
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