Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel
blöd ist? Meinst du den?«
»Er ist nicht dick«, Ben fischte fieberhaft nach Worten, »er hat keinen Bart und blöd ist er schon gar nicht.«
»Mann, das war ja ’ne richtige Rede für deine Verhältnisse.« Mike sah sich Beifall heischend nach Zuschauern um. »Hältst du deinen Vater vielleicht für den Weihnachtsmann? Dann muss ich dich wohl mal ’n bisschen aufklären.«
Ben spürte, dass die Wut in seinen Kopf schwappte wie dicke rote Brühe. Ab und zu passierte ihm das. Dann konnte er keinen klaren Gedanken fassen, und seine Zunge wurde so schwer, dass er sie am liebsten ausgespuckt hätte.
»Hör auf, so blöd rumzureden!«, brüllte er. »Du wirst schon sehen.«
Das Mathe-Ass grinste zufrieden. Sie hatten inzwischen etliche Zuschauer. »Das wird ja immer besser! Und was werd ich sehen, wenn man fragen darf?«
Darauf wusste Ben keine Antwort. Er stand da wie ein Klotz und wusste keine Antwort. Nie würde er Mike zu Julebukk mitnehmen oder ihm die Engel und Kobolde zeigen. Nie. Da sollten ihn lieber alle für einen Idioten halten.
»Wie wär’s mit Schnee?«, fragte jemand hinter ihm. »Es wird so schneien, dass du nicht mehr aus der Haustür kommst. Der Weihnachtsmann wird schon dafür sorgen.« Charlotte stand plötzlich neben Ben und lächelte ihn verlegen an.
»He, Mausgesicht!« Mike verlor einen Moment lang den Faden, aber so was dauerte bei ihm nie lange. »Hattest du nicht auch solche Sterne im Garten?«, fragte er. »Kennst du den Weihnachtsmann auch persönlich, Mausgesicht?«
Charlotte guckte Ben an.
»Ihr beiden seid ’n Liebespaar, was?« Mike schnalzte mit der Zunge.
Ben war noch nie so nah dran gewesen, ihm eine runterzuhauen.
Mike sah zum Himmel. »Wie wär’s mit ’ner neuen Wette, Bulette? Hm? Ich sage, es wird nichts mit dem großen Schneewunder. Hab ich recht und es schneit nicht, sagen wir mal, in den nächsten fünf Tagen, dann …«, Goldzahngrinsen, »… dann trägst du mich auf dem Rücken um den Schulhof rum, in der großen Pause, und ich brüll: ›Der Weihnachtsmann ist tot.‹ Gewinnst du, dann schlepp ich dich über den Schulhof und du rufst, was du willst. Außerdem kannst du, großzügig, wie ich bin, noch mal bei mir abschreiben. Ist das ein Angebot? Nimmst du die Wette an?«
Ben antwortete nicht. In seinem Kopf war nur roter Nebel.
»Aha!« Mike verzog spöttisch das Gesicht. »Dann gibt’s ihn doch nicht, deinen Weihnachtsmann, was?« Kichernd klopfte Mike Ben auf die Schulter. »Nimm’s nicht tragisch. Die meisten wissen das schon, wenn sie drei sind.«
»Ich nehm an«, knurrte Ben und schubste Mikes Hand weg. »Ich mein, die Wette, ich nehm sie an.«
Mike nickte zufrieden. »Bulette, ich freu mich schon. Ich mein, ich mein.« Er liebte es, Ben nachzumachen. Ihre Zuschauer kicherten. »Ich mein, aufauf – auf unsern Ritt. Bis dann! Und grüß den Weihnachtsmann.«
Lachend lief er vom Schulhof. Ben blieb verloren stehen. Er spürte, dass Charlotte ihn anguckte.
»Ich hätte das besser nicht sagen sollen, was?«, fragte sie leise. »Das mit dem Schnee.«
Ben zuckte die Achseln.
»Ich wollte dir nur helfen gegen diesen, diesen …«
»Mistkerl«, murmelte Ben. »Er ist ’n Mistkerl, aber er ist gut in Mathe.«
Gemeinsam gingen sie über den Schulhof und den Nebelweg hinunter.
»Wirst du Julebukk von der Wette erzählen?«, fragte Charlotte.
»Weiß nicht.«
Schweigend gingen sie weiter, bis sie vor Charlottes Haus standen.
»Kommst du mich mal besuchen?«, fragte sie. »Ich kenn immer noch nicht viele hier.«
»Mal sehen«, murmelte Ben. Was sollte man mit einem Mädchen spielen?
»Ich kann heut erst später zum Wohnwagen kommen«, sagte Charlotte. »Ich muss für ’ne Arbeit üben.«
»Na, dann, bis später«, sagte Ben, drehte sich um und lief davon. Bevor er zu Julebukk ging, wollte er noch schnell die Stiefel holen, die sein Vater nie anzog, damit Julebukk keine kalten Füße mehr bekam.
»Ben?«, rief seine Mutter von oben.
»Muss gleich wieder los!«, rief Ben zurück. Wieso war sie schon von der Arbeit zurück? Er zerrte die Stiefel aus dem Schuhschrank und klemmte sie unter den Arm.
»Ich bin früher gegangen«, rief seine Mutter. »Hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Guck mal auf die Kommode.«
Ben stand auf und erstarrte.
Auf der Kommode lagen drei Flugtickets. Ihm wurde schlecht, als hätte ihn jemand in den Magen geboxt. Kinder haben nichts zu sagen, dachte er, gar nichts. Werden einfach verschleppt.
»Es wird dir
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