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Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel

Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel

Titel: Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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weiß wie die Welt um sie her. Ben sah sich um. Seine Augen fanden nichts, keinen Baum, keinen Strauch, kein erleuchtetes Fenster in der Dunkelheit. Nur in der Ferne ragten seltsam spitze Berge auf. Wutz steckte den Kopf zwischen Julebukks Beinen durch und jaulte.
    »Du bleibst da«, rief Charlotte, »es ist zu kalt für dich.«
    »Da!« Julebukk warf Ben das Schlauchende zu und sah sich besorgt um. Ben zerrte den Schlauch noch ein Stück aus dem Wagen und schob ihn in die nächste Schneewehe. Schon ein ganzes Stück vor dem Goldring blieb er stecken.
    »Nicht tief genug!«, rief Ben. »Muss Eis drunter sein!«
    »Wir stehen auf dem Großen Weihnachtssee, Julebukk!«, zeterte Matilda. »Ich hab’s ja gewusst.«
    »Pech, Pech, nichts als Pech!«, stöhnte Julebukk und nieste in die kalte Luft.
    »Ruf die Kinder rein!«, rief Matilda aufgeregt. »Wer weiß, wie weit das Ufer entfernt ist.«
    Mit zusammengekniffenen Augen starrte Julebukk in die Dunkelheit. »Sie hat recht«, sagte er. »Kommt wieder rein. Es ist zu gefährlich.«
    »Ach was.« Ohne ein weiteres Wort nahm Ben den Schlauch und stapfte davon. Charlotte lief ihm nach.
    »Seid vorsichtig!«, hörten sie Julebukk besorgt rufen.
    Meter für Meter zerrten die Kinder den Schlauch über den Großen Weihnachtssee. Charlotte lief, so gut es ging, in Bens Fußstapfen und hielt sich dicht hinter seinem Rücken. Immer wieder musste sie sich die Flocken aus den Augen wischen. Die Kälte schnitt ihr ins Gesicht, aber warm war ihr immer noch. Ohne die Koboldmäntel wären wir längst steif wie Eiszapfen, dachte sie und guckte über die Schulter zurück. Der Schlauch der Schneemaschine wand sich aus Julebukks Wagen wie eine Schlange hinter ihnen her, wuchs in ihren Händen, wurde länger und länger, ein Wunderwerk der Kobolde.
    »Es ist so still!«, flüsterte Charlotte. »Meinst du, es ist hier immer so still?«
    Ben zuckte die Achseln. »Da«, er zeigte nach links, »da ragt Schilf aus dem Schnee. Siehst du?«
    Charlotte nickte. »Stimmt, da muss das Ufer sein. Dahinter sind richtig hohe Schneebuckel.«
    Ben stapfte weiter. Seine Beine zitterten vor Anstrengung, aber zum Ausruhen war keine Zeit. Charlotte drehte sich noch mal um. Weit weg war Julebukks Wagen. Über der offenen Tür leuchtete ein Licht. Matilda hatte eine Laterne angezündet. Als sie das Schilf erreichten, wurde das Gehen noch mühsamer. Der Schlauch verfing sich in den Halmen, und immer wieder stolperte Ben über Steine und Äste, die unter dem Schnee verborgen waren. Dann wurde der Schnee tiefer. Als er ihm bis zu den Knien reichte, blieb Ben stehen.
    »Hier versuchen wir’s noch mal«, sagte er.
    Charlotte sah sich unruhig um. Aber nichts störte die kalte Stille. Nur das eigene Herz klopfte ihr in den Ohren. »Diese Berge da«, murmelte sie. »Irgendwie sehen die komisch aus. Findest du nicht auch?«
    Ben antwortete nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, den Schlauch tiefer in den Schnee zu schieben. Charlotte half ihm, aber sie guckte sich immer wieder um.
    »Diesmal reicht’s«, sagte Ben.
    »Schnell!«, flüsterte Charlotte. »Mir ist so komisch. Als ob uns jemand beobachtet.«
    »Wir haben’s ja gleich!«, brummte Ben. Nur noch ein paar Zentimeter fehlten bis zum Goldring.
    »Ben, da ist was!«, zischte Charlotte. »Lass uns zurückgehen.«
    »Was soll denn da sein? Quatsch.« Noch ein Ruck und der Schlauch steckte tief genug im Schnee. »Geschafft!«, sagte Ben.
    Da bellte Wutz plötzlich. Sie bellte und dann heulte sie wie ein Wolf. Unheimlich klang das in der Stille.
    »Ich hab Angst!«, flüsterte Charlotte.
    Hinter ihnen knackte und knarrte es dumpf.
    Charlotte fuhr herum und schrie auf.
    Ben ließ den Schlauch fallen.
    Die spitzen Berge bewegten sich. Der Schnee rutschte herunter und riesige Nussknackerköpfe schoben sich heraus. Auf und zu, auf und zu klappten ihre roten Münder. Ihre Zähne krachten aufeinander, ihre Holzarme schüttelten den Schnee ab. Lange Beine mit glänzenden Stiefeln hoben sich steif in die Luft. Starre Augen sahen die Kinder an.
    »Renn«, schrie Charlotte und schubste Ben vorwärts.
    Und er rannte, rannte um sein Leben. Er hörte Charlotte keuchen und seine eigenen knirschenden Schritte dröhnten ihm in den Ohren. Die Laterne vor Julebukks Wagen wippte vor seinen Augen auf und ab.
    »Lauft!«, hörte er Julebukk schreien. »Lauft doch!«
    Charlotte stolperte und fiel in den Schnee. Ben riss sie hoch und gemeinsam sprangen sie durch das Uferschilf.

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