Als die erste Atombombe fiel
sagte ich: »Komm schnell zurück, Vater.«
»Ja, mein Liebling«, sagte er.
Ich hatte gerade den Tempel in der Nähe erreicht, wo wir Schule hatten, als ich ein Flugzeug hörte. Plötzlich gab es einen grellen Blitz und ein Geräusch wie Donner. Das Gebäude fiel über mir zusammen und ich wurde von einem schweren Balken eingeklemmt. Es wurde dunkel. Ich schrie, so laut ich konnte. Einmal glaubte ich, meine Mutter nach mir rufen zu hören, aber ihre Stimme war ganz leise, und dann konnte ich sie gar nicht mehr hören.
Einige Leute aus der Nachbarschaft halfen mir endlich heraus. Mein Gesicht, meine Arme und Beine bluteten. Eine Nachbarin trug mich auf dem Rücken, da kam meine Mutter vom Luftschutzbunker zurückgelaufen. Meine Mutter bedankte sich bei ihr und nahm mich mit. Dann wusch sie mir das Gesicht mit Wasser. Sie ging zurück ins Haus, um ein paar wichtige Dinge zu holen, und dann nahm sie mich auf den Rücken und mein Bruder – er ging in die siebte Klasse – nahm meine dreijährige Schwester auf den Rücken, und wir alle gingen zum Exerzierplatz Ost. An manchen Stellen sah man schon Feuersbrünste. Jedes Mal, wenn wir ein Flugzeug hörten, warfen wir uns in einen Abflussgraben. Das Feuer breitete sich schnell aus und der Himmel war bald dunkel vor Rauch.
Endlich hörten wir keine Flugzeuge mehr. Das war am späten Nachmittag. Wir erfuhren, dass man bei dem Schrein erste Hilfe erhalten konnte. So trug meine Mutter mich dorthin. Sie war barfuß und ihr Gesicht staubbedeckt. Sie war voller Blut, aber sie trug noch immer ihre Luftschutz-uniform. Als wir zur Erste-Hilfe-Station kamen, waren dort viele Menschen, deren Verbrennungen schlimmer waren als meine Verletzungen. Einige hatten am ganzen Körper Verbrennungen. Wir warteten lange, aber niemand half uns. Dann hörten wir, dass die Ärzte um sechs gehen würden, darum baten wir sie um Hilfe, und endlich wurden wir behandelt. In dieser Nacht schliefen wir und unsere Nachbarn auf dem Exerzierplatz. Die ganze Stadt stand in Flammen und einzelne Funken fielen sogar auf uns. Endlich wurde es Morgen und wir wollten nach Hause gehen, konnten aber nicht gehen, weil es zu heiß war.
Am Abend gingen wir dann nach Hause, aber wir fanden nur noch ein paar Ziegel unter der Asche.
Die nächsten Tage verbrachte meine Mutter mit der Suche nach meinem Vater. Am Morgen des 9. zerrten Soldaten bei Aufräumungsarbeiten den schrecklich entstellten Körper meines Vaters aus den Trümmern. Der Luftschutzbunker war in der Nähe der Yasudas in Kyobashi-cho im Bahnhofsbezirk von Hiroshima, und mein Vater wurde unter einem großen Schornstein gefunden, den man ein Jahr vorher abgetragen hatte. Sein Kopf war so verbrannt, dass man den Schädel sehen konnte. Wir erkannten ihn nicht und dachten, es müsse ein Missverständnis sein, aber als wir sein Dienstabzeichen sahen, wussten wir, dass es unser Vater war. Er sah so Mitleid erregend aus, dass wir alle die Arme um ihn legten und weinten. Mutter brachte Vaters Leiche in das Krematorium in Matsukawa-cho, nördlich des Hijiyama-Parks. Dort sah sie zu Bergen gestapelte Leichen. Die Soldaten äscherten meinen Vater getrennt von den anderen ein. Am nächsten Tag nahm meine Mutter mich auf den Rücken und mein Bruder meine Schwester, und wir setzten uns alle in den Zug, um die Asche meines Vaters dorthin zu bringen, wo meine Mutter aufgewachsen war. Der Zug war überfüllt mit verletzten Menschen. Als er im Bahnhof von Koutachi, das 45 Kilometer nördlich von Hiroshima liegt, einlief, sahen wir viele Leute, die auf ihre Freunde und Verwandten warteten, aber uns holte niemand ab. Meine beiden Großeltern waren schon vor langer Zeit gestorben und die beiden Brüder meiner Mutter waren im Süden gefallen. Wir fuhren dann zur Heimatstadt meines Vaters und setzten seine Asche feierlich im Tempel bei. Am buddhistischen Allerseelentag kam der Geist meines Vaters an das Haus. Er sah aus wie eine blasse Flamme und verschwand dann auf einmal im nahen Wald. Am 15. August, als wir in Koutachi ankamen, hielt der Kaiser eine wichtige Ansprache über den Rundfunk. 7
Die Menschen weinten, weil Japan den Krieg verloren hatte. Meine Mutter und wir Kinder waren tief enttäuscht.
Als wir nach Hiroshima zurückkehrten, besaßen wir nichts mehr. Wir schlugen uns von einem Tag zum anderen durch. Ich konnte nicht zur Schule gehen, weil ich noch nicht wieder gesund war. Die Wunde auf meinem Rücken wurde im November schlimmer und ich musste operiert
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