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Als die erste Atombombe fiel

Als die erste Atombombe fiel

Titel: Als die erste Atombombe fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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und Arm verletzt zu haben; ihre Kleider waren von Blut durchtränkt und klebten an ihrem Körper. Ihren rechten Arm konnte sie nicht bewegen, aber sie klagte nicht über Schmerzen oder sonst irgendetwas, sondern hielt sich dicht hinter uns. Vater hatte meinen Bruder auf dem Arm. Wir gingen in Richtung Ushita, das 2,5 Kilometer vom Explosionszentrum entfernt lag, und mussten wegen des Feuers einen großen Umweg machen.
    Unterwegs fragte Vater einen Polizisten: »Werden wir in Ushita sicher sein?«
    »Ich fürchte nein, ich glaube, es ist ziemlich zerstört«, sagte der Polizist und zeigte in die Richtung. Da sahen wir lodernde Flammen und schwarzen Rauch. Wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten, so beschlossen wir, trotzdem nach Ushita zu gehen. Wir kamen an einer Bäckerei vorbei, wo Vater einmal gearbeitet hatte, und er bekam dort ein paar Kekse. Dann gingen wir alle in einen Luftschutzunterstand in der Nähe und aßen die Kekse. Wieder flog ein Flugzeug über uns hinweg. Ich schauderte. Wir kamen zum Exerzierplatz Ost, wo das Gras brannte. Es war sinnlos umzukehren, darum wickelte ich mich in eine Decke (ich hatte nämlich nichts an) und lief barfuß durch das Feuer. Ich fühlte, wie die Hitze mir die Füße versengte. Auch andere Leute liefen über den Platz, in alle möglichen Dinge gehüllt, während über uns Holzstücke, Teile von Blechdächern und andere Gegenstände durch die Luft flogen. Schließlich kamen wir nach Ushita, aber da war nichts als eine weite, verbrannte und verwüstete Ebene, genau wie es der Polizist gesagt hatte. Der Boden war so heiß, dass ich mich heute frage, wie ich überhaupt darauf gehen konnte. Wir liefen verzweifelt weiter und kamen endlich zum Haus meiner Großmutter. Zum Glück war das Feuer nur bis auf etwa 100 Meter an ihr Haus herangekommen.
    Wir hatten ein paar Dinge bei Großmutter ausgelagert, aber nicht so viel wie andere Leute. Die Familie uns gegenüber hatte alles außer einigen Hemden und etwas Kleidung an einen entfernten Ort geschickt.
    Es war stockdunkel, als wir bei Großmutter ankamen. Das einzige Licht kam von den Feuersbrünsten hoch oben auf dem Berg im Osten. Großmutters Haus war sehr klein, da sie allein war, und es gab nicht genug Platz zum Schlafen für beinahe zehn Leute. Darum banden Vater und Herr Okamoto ein paar Bretter zusammen, um eine Art Haus aufzurichten. Als wir uns gerade zum Schlafen hinlegen wollten, tauchte ein sieben- oder achtjähriger Junge auf, der nach seinem Vater und seiner Mutter rief. Er tat uns Leid, und wir nahmen ihn mit in unsere Hütte. Wir gaben ihm Reiskugeln, Zwieback und Schalotten. Er war so hungrig, dass er vier Reiskugeln aß. In dieser Nacht schlief er mit uns in der Hütte.
    Am nächsten Tag, dem 7. August, verließ der Junge uns.
    Wir halfen Vater, Bretter über den Bach vor Großmutters Haus zu legen und unsere Hütte auf die andere Seite zu schieben. Die Einheimischen gaben uns dabei gute Ratschläge und machten sich lustig über uns. Ich konnte es kaum ertragen und hätte sie um ein Haar angebrüllt. Aber Mutter sagte immer wieder zu mir: »Unser Haus ist niedergebrannt. Du musst Geduld haben.« Und ich hielt den Mund, wenn ich auch sehr sauer war. Sorgen machte uns, dass wir weder Lebensmittel noch Kleider noch Koch-geräte hatten. Aber oft versorgten uns freundliche Nachbarn mit diesen Dingen. Unser größtes Problem war das Haus. Vorher hatten wir in einem ziemlich großen Haus gewohnt, aber hier in Ushita mussten wir in einer kleinen Hütte leben, die weder fließendes Wasser noch einen Ofen hatte. Wir lebten fünf Jahre in dieser Hütte und hatten es sehr schwer. Ich war vorher nicht sehr kräftig, aber jetzt bin ich sehr gesund, weil wir, glaube ich, in dieser Zeit so viel durchmachen mussten. Wenn ich zurückblicke, frage ich mich, wie wir diese schweren Zeiten überleben konnten.
    Ich bin gegen jeden Krieg. Ich hoffe, dass wir nie wieder in etwas so Schreckliches verwickelt werden.
    Vergessen – das ist unmöglich
    Yuriko Yamamura war damals, als die Bombe explodierte, gerade neun Jahre alt. An ihrer Einstellung zum Krieg hat sich bis heute nichts geändert. Mit der gleichen Entschiedenheit wie 1951, als sie ihre Erlebnisse für Professor Osada niederschrieb, sagt sie heute: »Ich lehne den Krieg ab, absolut und ganz.« Äußerlich gesehen, hat sie keinerlei Merkmale davongetragen, obwohl sie sich nur 1,5 Kilometer vom Explosionszentrum entfernt aufhielt. Aber ihr Gesicht lässt während des

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