Als die Roemer frech geworden
Hedemünden bei Göttingen ist ein Reiter- bzw. Versorgungslager (Lagerkomplex I–IV, 25 ha) an strategisch wichtiger
Stelle entdeckt worden. Weitere Lagerspuren in der Nähe, nicht weit von der Werrafurt, weisen diese Stelle als eine Station
aus, die das Drususheer auf dem Weg zur Elbe bzw. auf dem Rückweg von dort bezogen hatte. 8
In der Tradition seines großen Vorbildes Alexander ließ Drusus an der Elbe ein großes Tropaion, ein Siegesdenkmal, errichten.
Diese |34| Aktion sollte für alle sichtbar dokumentieren, dass hier, an der Elbe, das Ziel der Eroberung erreicht war. Die schnelle Unterwerfung
der Germanenstämme noch im folgenden Jahr (8 v. Chr.) bestätigt, dass die Feldzüge erfolgreich abgeschlossen wurden. Diese
Unterwerfung erlebte Drusus nicht mehr, da er sich bei einem Reitunfall so schwer verletzt hatte, dass er kurze Zeit später
mitten in Germanien im Winterlager Scelerata verstarb.
Als weiteres Indiz für den durchschlagenden Erfolg der Drususoffensiven kann gelten, dass sein Bruder Tiberius, der unmittelbar
auf die Nachricht des Unfalls die Nachfolge anzutreten und das führerlose Heer zu übernehmen hatte, quer durch Germanien mit
nur einem Mann Bedeckung zum Totenbett des Drusus reiten konnte, ohne dabei bedroht worden zu sein. Inzwischen müssen die
Wege so gut ausgebaut gewesen sein, dass Tiberius seinen jüngeren Bruder noch lebend erreichen konnte. Die Eroberungen, Umsiedelungsmaßnahmen
und Deportationen dürften schon weit gediehen gewesen sein.
Nichtsdestotrotz ist die Unterwerfung der rechtsrheinischen Germanenstämme und die Auflösung des Sugambrerverbandes nach Ausweis
der Quellen erst unter dem Oberkommando des Tiberius (9–7/6 v. Chr.) erfolgt. Allein die Auflösung der Stammesgruppe der Sugambrer
zeigt, dass die Unterwerfung der nordwestgermanischen Stämme die Rechtsform einer
deditio in fidem
hatte, also vollkommen war. Dem siegreichen Feldherrn als Vertreter der Siegermacht stand nämlich – wie im Falle der Sugambrer
praktiziert – die Freiheit der vollständigen Auflösung der (staatlichen bzw. hier Stammes-) Existenz offen.
Das Verhältnis zu den in den Osten deportierten bzw. gedrängten Stammesverbänden, die sich im Böhmischen Kessel unter der
Führung ihres Königs Marbod zusammengefunden hatten, musste jedoch anders geregelt werden: Vor dieser bedrohlichen Machtkonzentration,
die vorerst nicht zu bezwingen war und gefährlich nahe an Norditalien lag, hatte man in Rom großen Respekt. Als Marbod viele
Jahre später vor seinen innenpolitischen Gegnern fliehen musste und bei den Römern um Zuflucht bat, frohlockte daher Tiberius:
|35| Nicht Philipp sei für die Athener, nicht Pyrrhos oder Antiochos für das römische Volk in gleichem Maße zu fürchten gewesen.
Noch ist die Rede vorhanden, in der er [Tiberius] auseinander setzte, wie groß dieser Mann sei, welche wilde Kraft in den
ihm untertänigen Völkerschaften liege, wie nahe der Feind Italien sei und welche Maßregeln er getroffen habe, um ihn unschädlich
zu machen. 9
Bilanz und Ergebnis der Eroberungen der Drususzeit
Im Ganzen stellen die Drususfeldzüge ein Eroberungsunternehmen dar, das von Anfang an die Elbe als Ziel hatte und die rückwärtigen
gallischen Provinzen gegen einen Einfall germanischer Stämme absichern sollte, indem die Elbe fortan als geeignete Grenze
nach Osten hin fungierte. Dafür war von Beginn an der gesamte Rhein-Main-Elbe-Raum über die Einfallstraßen Main, Wetterau,
Lippe und Nordseeströme Operationsgebiet. Damit wollte man den Warnungen Caesars Rechnung tragen, der von der Eroberung Germaniens
abgeraten hatte. Es handelte sich folglich kaum um eine Eskalation wider Willen, die letztlich zu einer unbeabsichtigten Eroberung
wurde. Und kaum wird man den Erfolg der Eroberungen bestreiten können: Die Drususoffen-siven führten tatsächlich zur Herrschaft
der Römer über den rechtsrheinischen Raum bis zur Elbe.
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|36| Die Römer in Germanien – Taktiken der Provinzialisierung
O Quinctili, armer Feldherr!
Dachtest Du, dass so die Welt wär?
– Er geriet in einen Sumpf,
Verlor zwei Stiefel und einen Strumpf
Und blieb elend stecken. 1
Als die Römer unter dem Oberbefehl des Tiberius im Jahr 8 v. Chr. die Unterwerfung aller germanischen Stämme entgegennahmen,
schien alles in vorgezeichneten Bahnen zu laufen: Denn die Römer hatten genaue Vorstellungen von der Eingliederung der neuen
germanischen
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